Wenn man sich mit der Beziehung zwischen Startups und ihren Investoren beschäftigt, wird man viel über den sog. principal agent conflict lesen können. Dieser Konflikt ergibt sich daraus, dass die Gründer in Bezug auf das Startup einen Informationsvorsprung gegenüber dem Investor haben. Gründer sind sowohl vor als auch nach der Beteiligung des Investors einfach „näher dran“. Diese Informationsasymmetrie ist Ausgangspunkt für viele Schutzrechte von Investoren. Besonders deutlich wird dies im Bereich von Informations- und Zustimmungsrechten.
Die komplette Reihe zur Startup-Finanzierung mit Investoren findest du am Ende dieses Beitrags
Tipp
Bei Vertragsverhandlungen mit Investoren ist es von Vorteil, sich die Problemkonstellation des prinicpal agent conflicts vor Augen zu rufen. Zwei wesentliche Lösungsmechanismen, um den Konflikt zu mindern, sind die Schaffung von gemeinsamen Anreizsystemen sowie die gegenseitige Vertrauensbildung. Je besser es den Beteiligten im Rahmen der Vertragsverhandlungen gelingt, eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen und ihre gemeinsamen Ziele zu harmonisieren, desto konstruktiver wird die Zusammenarbeit während und nach der Beteiligung des Investors. Das gilt übrigens nicht nur als Tipp für Startups sondern auch für Investoren.
Informationsrechte
Wir erleben es häufig, dass Gründer skeptisch sind, wenn es darum geht, Investoren Informationen zur Verfügung zu stellen.
Sollte ein ungutes Gefühl bestehen, was der Investor mit vertraulichen Informationen des Startups anstellen könnte, sollten die Gründer nochmals überdenken, ob sie den Investor tatsächlich beteiligen wollen. Im Übrigen sollte man sich vor Augen halten, dass Gesellschafter einer GmbH von Gesetzes wegen einen umfassenden Anspruch auf Information und Einsicht in die Geschäftsunterlagen des Unternehmens haben. Diesen Anspruch normiert § 51a GmbHG. Im Ergebnis kann sich der Investor als Gesellschafter nahezu alle Fragen zur Gesellschaft von der Geschäftsführung beantworten lassen.
Wenn man über vertragliche Informationsrechte mit Investoren verhandelt, verhandelt man daher vereinfacht gesagt nicht um eine echte Erweiterung von Rechten, sondern eher über eine bestimmte Art der regelmäßigen Informationsweitergabe, mithin um periodische Informationspflichten.
Zu typischen Informationspflichten gehören die Bereitstellung monatlicher betriebswirtschaftlicher Auswertungen (häufig bereits vom Steuerberater bereitgestellt), Quartalsberichte zur Geschäftsentwicklung, unterjährige Planungen (z.B. Liquidität, Sales), Jahresplanungen oder Mitteilungen von außergewöhnlichen Ereignissen. Daneben sieht das Gesetz selbst bestimmte Mitteilungspflichten vor. Dazu gehören z.B. die Bereitstellung von Jahresabschlüssen oder die Mitteilung über den Verlust des hälftigen Stammkapitals (§ 49 Abs. 3 GmbHG).
Tipp
Die Bereitstellung regelmäßiger und gut aufgearbeiteter Informationen dient grundsätzlich der Vertrauensbildung und ist ein wichtiges Mittel des Investor Relationship-Management. Ein gutes Investor Relationship-Management wiederum ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil, wenn die Entwicklung des Startups mal nicht so verläuft wie erwartet. Daneben diszipliniert die Informationspflicht, Informationen zeitnah aufzuarbeiten und auszuwerten, um die Informationen als Fundament für die eigenen Entscheidungen des Startups zu nutzen.
Die Informationspflicht darf aber nicht dazu führen, dass Gründer, die für die Unternehmensentwicklung erforderliche Zeit mit dem Ausfüllen von Excel Sheets verschwenden. Die Kunst bei Informationspflichten besteht daher darin, diese nicht gänzlich wegzudiskutieren, sondern die Pflichten auf wesentliche Informationen zu beschränken und den Prozess weitest möglich zu standardisieren.
Tipp
Gerade bei Startups in der Seed-Phase verändern sich bestimmte Finanzkennzahlen gar nicht oder linear. Die Abstände, mit denen diese Informationspflichten zu erfüllen sind, können daher deutlich verlängert werden (z.B. Quartalsberichte und nicht monatliche Berichte). Daneben kann es Sinn ergeben, dass bestimmte Berichte über die Entwicklung des Startups nicht schriftlich, sondern im Rahmen von monatlichen Telefonkonferenzen berichtet werden.
Zustimmungsrechte – Warum werden diese vereinbart?
Die Beteiligung von Investoren an Startups stellt in der Regel eine Minderheitsbeteiligung dar, die in der Frühphase meist deutlich weniger als 25% der Anteile ausmacht. Ohne spezielle Regelungen kann ein Investor, der weniger als 25% der Anteile am Startup hält, kaum eine Entscheidung der Gründer mit seinen Stimmen blockieren. Grund ist, dass das Gesetz für Entscheidungen der Gesellschafterversammlung einer GmbH oder UG Mehrheiten von mehr als 50% (auch „einfache Mehrheit“ genannt) oder 75% (häufig „Drei-Viertel Mehrheit“ genannt) der Stimmen vorsieht. Vor diesem Hintergrund lassen sich Startup-Investoren daher bestimmte Zustimmungs- bzw. Vetorechte einräumen.
Die Einräumung von Zustimmungsrechten ist auf den ersten Blick nicht ganz nachvollziehbar, weil viele Investoren ausdrücklich versichern, sich nicht in das operative Geschäft des Startups einmischen zu wollen. Bei den klassischen Zustimmungsrechten von Investoren geht es jedoch nicht um eine proaktive Mitgestaltung des operativen Geschäfts des Startups, sondern um Veto-Rechte gegen bestimmte besonders weitreichende oder konfliktträchtige Entscheidungen der Geschäftsführung oder des Gesellschafterkreises.
Wichtig
Teilweise kursiert immer noch die Fehlvorstellung, dass Investoren, die mit weniger als 25% am Startup beteiligt sind, keine Entscheidungen des Startups blockieren können. Das ist in zweifacher Hinsicht falsch. Zum einen kommt es darauf an, ob ihnen im Gesellschaftsvertrag oder in begleitenden Gesellschaftervereinbarungen bestimmte Vetorechte eingeräumt wurden. Zum anderen ist jeder Gesellschafter, der auch nur einen einzigen Anteil an einer GmbH oder einer UG hält, berechtigt, unrechtmäßig ergangene Entscheidung der Gesellschafterversammlung anzufechten und damit deren Vollzug zu verhindern.
Welche Bestimmungsrechte werden typischerweise vereinbart?
Bei den Bestimmungsrechten unterscheiden wir typischerweise die Zustimmungsrechte zu Entscheidungen der Gesellschafterversammlung und Zustimmungsrechte zu Entscheidungen der Geschäftsführung.
Bei einer GmbH ist die Gesellschafterversammlung das wichtigste Organ. Sie trifft die Entscheidungen, die die Struktur der Gesellschaft betreffen sowie besonders wichtige Entscheidungen, die das Gesetz der Gesellschafterversammlung ausdrücklich zuweist. Ein Katalog solcher Geschäfte findet man z.B. in § 46 GmbHG. Zu diesen Geschäften gehören z.B. die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern sowie die Feststellung von Jahresabschlüssen. Daneben hat die Gesellschafterversammlung das Recht, der Geschäftsführung eine Weisung zu erteilen. Ist diese Weisung nicht rechtswidrig, muss die Geschäftsführung der Weisung folgen.
Beispiel
Die Gesellschafterversammlung kann im Rahmen ihres Weisungsrechts beschließen und die Geschäftsführung anweisen, einen bestimmten Vertrag im Namen der Gesellschaft abzuschließen.
Während die Gesellschafterversammlung strukturelle Entscheidungen trifft, ist die Geschäftsführung grundsätzlich unbeschränkt für das operative Geschäft des Startups zuständig. Die Geschäftsführung darf alle Geschäfte vornehmen, die in den gesellschaftsrechtlich vereinbarten Unternehmensgegenstand der Gesellschaft fallen und die nicht ausnahmsweise der Gesellschafterversammlung vorbehalten sind. Unbeschadet dessen sehen viele interne Regelungen von Startups vor, dass bestimmte Maßnahmen, sog. außergewöhnliche Geschäfte, der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen.
Beispiel
Sieht ein Gesellschaftsvertrag, der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers oder eine geltende Geschäftsordnung vor, dass Verträge mit Mitarbeitern, die ein bestimmtes Jahresgehalt beziehen, der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen, muss der Geschäftsführer die Zustimmung einholen. Holt er die Zustimmung nicht ein, ist das abgeschlossene Geschäft zwar grundsätzlich wirksam. Der Geschäftsführer kann sich aber wegen des Verstoßes gegen die Zustimmungspflicht schadensersatzpflichtig machen oder wegen dieser Pflichtverletzung aus wichtigem Grund abberufen und gekündigt werden.
In die oben genannte Aufgabenverteilung greifen die Zustimmungsrechte der Investoren ein. Zunächst behalten sich viele Investoren vor, dass bestimmte Entscheidungen der Gesellschafterversammlung nicht ohne die Zustimmung der Investoren vorgenommen werden können.
Beispiel
Viele Investoren lassen sich ein Zustimmungsrecht für Änderungen des Gesellschaftsvertrages einräumen. Das ist besonders wichtig, weil die Aufnahme neuer Gesellschafter, insbesondere neuer Investoren, in der Regel durch eine Kapitalerhöhung erfolgt, die stets mit einer Änderung des Gesellschaftsvertrages verbunden ist. Zustimmungsrechte gelten häufig auch im Hinblick auf die Zustimmung zur Übertragung von wesentlichen Vermögensgegenständen des Startups, Feststellung von Jahresabschlüssen, Gewinnausschüttungen oder Zustimmung zur Übertragung von Anteilen am Startup selbst.
Daneben lassen sich Investoren auch Vetorechte einräumen, wenn es um potentielle Interessenskonflikte, weitreichende oder finanziell belastende Entscheidungen der Geschäftsführung geht.
Beispiel
Hierzu gehören insbesondere Rechtsgeschäfte mit Gründern oder deren nahen Angehörigen. Daneben Verträge, die ein bestimmtes Volumen (z.B. Mitarbeiteranstellungsverträge mit einem Jahresgehalt von mehr als X Euro) oder eine bestimmte Kombination aus Zeitdauer und Volumen überschreiten (Mietvertrag mit einem Jahresvolumen von Y Euro, der nicht jährlich kündbar sind). In diese Gruppe gehören auch Verträge, die eine Umsatz- oder Gewinnbeteiligung gewähren.
Auf was sollte man bei Zustimmungsrechten achten?
Wir empfehlen bei Zustimmungsrechten darauf zu achten, dass die vom Veto betroffenen Maßnahmen nicht das Tagesgeschäft des Startups blockieren. Überspitzt gesagt soll man nicht die Zustimmung der Investoren einholen müssen, wenn man ein Zeitschriften-Abo abschließt. Die Maßnahmen sollten daher eine im jeweiligen Einzelfall festzulegende Wesentlichkeitsschwelle überschreiten.
Daneben sollte sichergestellt sein, dass die zustimmungsbedürftigen Geschäfte einer gewissen Dynamik unterliegen. Mit der Entwicklung des Startups, insbesondere einer Ausweitung geschäftlicher Aktivitäten und Umsätze, sollten Schwellenwerte für bestimmte zustimmungsbedürftige Geschäfte ohne größeren Aufwand angehoben werden können (z.B. Mitarbeiteranstellungsverträge mit einem bestimmten Jahresgehalt). Daher empfiehlt es sich, zustimmungsbedürftige Geschäfte der Geschäftsführung nicht im Gesellschaftsvertrag, sondern in einer Geschäftsordnung zu regeln. Hintergrund ist, dass die Änderung des Gesellschaftsvertrages stets notariell beurkundet werden muss und daher neben einem entsprechenden formalen Aufwand jedes Mal auch Kosten auslöst.
Daneben sollte auch geregelt werden, dass bestimmte Maßnahmen, die in verabschiedeten Jahresbudgets spezifisch ausgewiesen sind oder sich im Rahmen von Jahresbudgets bewegen, grundsätzlich als genehmigt gelten.
Damit das Startup handlungsfähig bleibt, sollte ergänzend oder alternativ vorgesehen werden, dass Maßnahmen, denen innerhalb einer bestimmten Frist nicht widersprochen wurde (z.B. innerhalb eines Zeitraums von zwei oder drei Wochen nach vollständiger Unterrichtung über die Maßnahme), als genehmigt gelten.
Schlussendlich sollte darauf geachtet werden, dass bei einer Mehrheit von Investoren die Zustimmungsrechte nicht jedem Investor unabhängig von der Höhe seiner Beteiligung gewährt werden, sondern die Zustimmung einer Investorenmehrheit ausreicht.
Hier geht es zu den weiteren Artikeln der Reihe Startup-Finanzierung mit Investoren
0. Einleitung – Das sollte man wissen – ein Überblick
I. Investorentypen – Wer interessiert sich für mich, wer passt zu mir? Ein Überblick
- Business Angel
- Venture Capital Gesellschaften
- Accelerator
- Corporate Venture Capital-Gesellschaften
- Venture Loan-Geber
II. Finanzierungsarten – In welchen Formen wird Kapital bereitgestellt?
III. Finanzierungsprozess – Kennenlernen bis Geldeingang: wie verlaufen Verhandlungen mit Investoren?
IV. Verträge – Welche werden abgeschlossen?
V. Vertragliche Regelungen – Welche sind wichtig?
- Teil 1: Umsetzung der Beteilig./(Ab)Sicherung der Unternehmensbew./Meilensteine/ Nachfinanz.
- Teil 2: Garantien
- Teil 3: Verwässerungsschutz
- Teil 4: Vesting
- Teil 5: Nebentätigkeits- und Wettbewerbsverbot
- Teil 6: Schutz des Gesellschafterkreises
- Teil 7: Exitregelungen
- Teil 8: Erlösverteilung im Exit-Fall
- Teil 9: Informations- und Zustimmungsrechte
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