Wenn sich Startups mit der Finanzierung durch Investoren beschäftigen, sollte eine der ersten Fragen sein: welche Investorentypen kommen für mich überhaupt in Betracht? Wer interessiert sich für mich? Aber auch: wer passt zu mir? Wenn man an dieser Stelle seine Hausaufgaben nicht richtig macht, ist die Suche nach dem Geld zum Scheitern verurteilt.
Im folgenden Beitrag schauen wir uns den Business Angel als möglichen Investor detaillierter an.
Die komplette Reihe zur Startup-Finanzierung mit Investoren findest du am Ende dieses Beitrags.
Als Business Angel wird – idealtypisch – eine vermögende und unternehmerisch erfahrene Person bezeichnet, die sich mit Kapital und Know-how an Startups beteiligt. Kennzeichnend für diesen Investorentypus ist entweder eine eigene unternehmerische Vergangenheit oder vertiefte Erfahrung in der Unternehmensleitung. Insgesamt ist die Investorengruppe der Business Angel jedoch äußerst heterogen. Die am Markt bestehenden Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede greifen wir in der nachfolgenden Darstellung auf.
Achtung!
Der Begriff „Business Angel“ ist keine geschützte Bezeichnung wie Arzt oder Rechtsanwalt und eignet sich darüber hinaus auch nicht per se als Qualitätssiegel eines Investors. Theoretisch kann sich jede Person als Business Angel bezeichnen – und einige tun dies auch zu Unrecht.
In welcher Phase und wie viel investieren Business Angel typischerweise?
Business Angel sind v.a. für Startups in einer frühen Unternehmensphase interessant (Seed-Phase; Proof of Concept Phase). Sie investieren deutlich kleinere Beträge als institutionelle Investoren (z.B. Venture Capital- Gesellschaften) sind aber im Gegenzug bereit, durch die Investition in frühen Unternehmensphasen höhere Risiken einzugehen. Eine Finanzierung durch einzelne Business Angel kommt v. a. im Bereich zwischen EUR 25.000 und EUR 100.000 in Betracht.
Werden größere Finanzierungsbeträge benötigt, können diese durch eine Kombination mehrerer Business Angel-Investments, durch Ansprache von Business Angel-Netzwerken (z.B. b-to-v) oder durch Verbindung von Business Angel-Investments mit darauf abgestimmten Förderprogrammen (z.B. NRW.SeedCap Digitale Wirtschaft) akquiriert werden.
Tipp
Business Angel können für das Startup ein Qualitätssiegel darstellen und es für nachfolgende Finanzierungsrunden empfehlen.
Was bietet der Business Angel – außer Kapital?
Business Angel werben häufig damit, Startups ihre Kontakte zur Verfügung zu stellen und aktiv bei betriebswirtschaftlichen Fragen zu beraten. Die tatsächliche Involvierung ist dabei sehr unterschiedlich. Häufig erfolgt eine Unterstützung durch den Business Angel bei strategischen Fragen mit Know-how bzw. bei operativen Aufgaben mit dem Kontaktnetzwerk. Daneben gibt es Business Angel, die sich bei ihren Unternehmensbeteiligungen nur auf ein bis zwei Startups konzentrieren und ebenfalls im Tagesgeschäft durch Übernahme einzelner Tätigkeiten bzw. Projekte involviert sind. Auf der anderen Seite gibt es Business Angel, deren Investitionsverhalten einem institutionellen Investor (z.B. einer Venture Capital-Gesellschaft) sehr nahe kommt. Bei diesen Business Angels beschränkt sich die Mitwirkung auf die Beratung bei übergeordneten strategischen Fragen, die Vorbereitung weiterer Finanzierungsrunden durch Kontaktherstellung zu institutionellen Investoren sowie auf die Ausübung von Informations- und Zustimmungsrechten.
Tipp
Bei der Berechnung der Höhe der Beteiligung lassen Business Angel neben dem finanziellen Beitrag zum Teil auch ihr Kontaktnetzwerk und Know-how berücksichtigen. Startups sollten Wert darauf legen, die Expertise und den Track Record des Business Angel im Vorfeld abzufragen oder von Branchenkennern beurteilen zu lassen. In gleicher Weise kann auch bei bestehenden oder ehemaligen Beteiligungen die Bereitschaft des Business Angel, sein Kontaktnetzwerk einzusetzen, abgefragt werden.
Art der Beteiligung
So unterschiedlich wie die Business Angel selbst ist auch deren Art und Weise, Kapital bereitzustellen. In diesem Segment sind sowohl direkte Beteiligungen am Startup (Übernahme von Geschäftsanteilen) üblich als auch (atypisch) stille Beteiligungen oder Kombinationen aus Beteiligungen und Darlehensvergabe. Nach unserer Marktbeobachtung nimmt die Anzahl der direkten Beteiligungen jedoch deutlich zu. Hierbei beteiligen sich Business Angel vermehrt nicht unmittelbar als Person, sondern über eigens hierfür errichtete Vermögensverwaltungs-GmbHs. Eine solche direkte Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft führt wegen des sog. steuerlichen Schachtelprivilegs zu steuerlichen Vorteilen beim Verkauf der Beteiligung.
Motivation – Was erwartet der Business Angel Investor?
Business Angel stellen keine homogene Gruppe dar. Damit ist auch die Motivation bei Business Angel unterschiedlich. Überwiegend lässt sich jedoch festhalten, dass Business Angel durch ihr Investment Geld verdienen wollen. Bei der Beteiligung an Startups mit hohem Skalierungspotential liegt die Renditeerwartung selten in einer laufenden Gewinnausschüttung und häufiger in der Erwartung, die Beteiligung nach einer bestimmten Haltedauer (häufig 4 bis 7 Jahre) mit Gewinn zu veräußern. Die Renditeerwartung über die Gesamtlaufzeit des Investments wird hier i.d.R. bei mehr als 100% des investierten Betrages liegen. Daneben gibt es aber auch Business Angel, für die ein Verkauf der Unternehmensanteile mit Wertsteigerung nicht im Vordergrund steht und die darüber hinaus aktiv – hands on – im Unternehmen tätig werden möchten. Die Motivation ist auch hier häufig eine Renditeerwartung, die jedoch auch in anderer Weise als durch Verkauf der Unternehmensbeteiligung erfolgen kann, z.B. durch eine Tätigkeitsvergütung und laufende Gewinnausschüttungen. Die Renditeerwartung als Motivationsfaktor wird daneben häufig von weichen Faktoren begleitet zu denen z.B. Selbstverwirklichung, Suche nach einer neuen Herausforderung oder der Spaß an einer Mentoren-Rolle gehören. Durch die Vielzahl der möglichen Motivationen sollte bei der Auswahl eines Business Angel die Motivationslage bereits in einer frühen Phase der Gespräche abgefragt werden, um sie mit den eigenen strategischen Vorstellungen abzugleichen.
Zugang – Wie entsteht der Kontakt zu Business Angels?
Genaue Marktzahlen zur Anzahl von Business Angel in Deutschland gibt es nicht. Das Business Angel Netzwerk Deutschland e.V. ging noch 2010 von etwa 5.000 aktiven Business Angels in Deutschland aus, die jährlich zwischen 200 und 300 Mio. EUR investieren. Auch wenn man zwischenzeitlich davon ausgehen kann, dass diese Gruppe deutlich größer geworden ist, lassen sich kaum belastbare Zahlen festlegen. Für eine Zunahme spricht, dass die niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt Direktbeteiligungen in den Fokus vieler vermögender Privatpersonen und Family Offices gelenkt haben. Viele Business Angel machen ihre Unternehmensbeteiligungen jedoch nicht publik, so dass die Anzahl der tatsächlich durchgeführten Transaktionen nur unzuverlässig geschätzt werden kann.
Auf Grund der Heterogenität des Marktes ist die Suche nach Business Angels nicht einfach. Anders als bei Venture Capital-Gesellschaften gibt es nur wenige Business Angel, die in öffentlich zugänglichen Datenbanken als geeignete Investoren ermittelt werden können. Viele Business Angel investieren auch nur in bekannte Teams oder auf Empfehlung aus ihrem Netzwerk. Zur Ermittlung von Business Angels kommt die Ansprache über bundesweit oder regional tätige Business Angel-Netzwerke (in NRW z.B. die win NRW.BANK Business Angels Initiative), Präsentations- und Matching-Veranstaltungen (z.B. Rheinland Pitch) sowie die vielfältigen regionalen und bundesweiten Wettbewerbe (z.B. im Rheinland der NUK Business Plan Wettbewerb) in Betracht. Aber auch in die aus dem US-amerikanischen Raum kommende AngelList tragen sich zunehmend deutsche Business Angel ein. Ein weiterer Ansatz ist es auch, ehemalige oder aktuelle Führungskräfte aus Unternehmen in tangierten Marktsegmenten zu kontaktieren.
Hilfreich ist es, bereits sehr früh ein Netzwerk zu anderen Unternehmen und potentiellen Investoren über den Besuch von Startup Veranstaltungen aufzubauen und den Kontakt und Austausch mit Startup-Netzwerken zu suchen. Man sollte im Fundraising Prozess v.a. Konferenzen und Events nutzen, um präsent zu sein, sein Netzwerk zu erweitern und sich ins Gespräch zu bringen.
Wie bei fast allen Investoren ist die gezielte Ansprache spezieller Business-Angel auf Veranstaltungen oder über deren persönliches Netzwerk die erfolgversprechendste Vorgehensweise. Ist ein Kontakt über Veranstaltungen nicht möglich, sollte man bestrebt sein, ein Intro durch eine Person aus dem Netzwerk des Investors zu erhalten. Häufig hilft hier schon ein Blick in die eigenen Kontakte bei XING, LinkedIn, Facebook & Co.
Tipp
Auch wenn Business Angel einen weniger formalistischen Ansatz verfolgen, sollten der Business-Plan und die sonstigen Präsentationsunterlagen des Startups mit der gleichen Sorgfalt erstellt sein, wie bei institutionellen Investoren.
Dauer der Kapitaleinwerbung
Von der Kontaktaufnahme zu dem schlussendlich finanzierenden Business Angel bis zur Auszahlung des Finanzierungsbetrages sollten mindestens drei Monate einkalkuliert werden.
Vertrags- und Regelungsumfang
Der Vertrags- und Regelungsumfang bei Business Angels variiert in Abhängigkeit von der oben genannten Motivations- und Erwartungshaltung, der gewählten Finanzierungsstruktur sowie den sonstigen Umständen der Beteiligung. Eine der häufigsten Vorgehensweisen ist die Aufnahme besonderer Regelungen für den Business Angel in den Gesellschaftsvertrag des Startups. Hierzu zählen bestimmte Zustimmungs- und Informationsrechte. Daneben sind Veränderungen in den Anstellungsverträgen der Gründer denkbar oder eine zusätzliche Vereinbarung über Schutzrechte (z.B. Patente, Domains), soweit diese im Privatvermögen der Gründer stehen und noch nicht auf das Startup übertragen wurden (siehe hierzu auch #StartupBriefing: Rechte an programmierter Software – Wem gehört eigentlich was?). Business Angel, deren Investitionsverhalten demjenigen von Venture Capital-Gesellschaften entspricht, schließen mit den Gründern teilweise standardisierte Beteiligungsverträge und Gesellschaftervereinbarungen ab. Für den Fall, dass der Business Angel als Side-Investor neben einem anderen Venture Capital-Geber fungiert (z.B. im Falle einer Beteiligung durch den High-Tech Gründerfonds), werden nahezu ausschließlich Beteiligungsverträge des Hauptinvestors genutzt. Details zu der Vertragsdokumentation von Investoren und hierbei häufig verwendeten Regelungen werden wir Euch im weiteren Verlauf dieser Serie präsentieren.
Achtung!
Vorsicht ist geboten, wenn mit der Finanzierung ein verbindlicher Beratungsvertrag mit dem Investor einhergeht. Schwarze Schafe nutzen ein vermeintliches Investment, um ausschließlich Beratungsleistungen anzubieten.
Gestaltungsspielraum bei Verhandlungen
Verfügen Business Angel über keine eigene Vertragsdokumentation ist der Gestaltungsspielraum bei Verhandlungen i. d. R. recht groß. Verhandelt das Startup mit unerfahrenen Business Angels, empfiehlt sich häufig, dass das Startup selbst die Eckdaten einer Beteiligung vorschlägt und diese ggf. sogar in einem Term Sheet dem Business Angel vorliegt. Dies sollte auf jeden Fall dann erfolgen, wenn man mit mehreren Business Angels spricht, um hier eine koordinierte Verhandlung und Steuerung des Prozesses in der Hand zu haben. Auf Grund der in diesem Bereich häufig niedrigen Investitionsvolumina empfiehlt sich jedoch eine möglichst einfache Beteiligungsstruktur zu wählen, um keine unnötigen Kosten entstehen zu lassen.
Tipp
Bei der Finanzierung mit Business Angeln sind komplexe Beteiligungsstrukturen i. d. R. nicht nötig und angesichts der vergleichbar niedrigen Investitionsbeträge auch nicht opportun.
Hier geht es zu den weiteren Artikeln der Reihe
Startup-Finanzierung
mit Investoren
0. Einleitung – Das sollte man wissen – ein Überblick
I. Investorentypen – Wer interessiert sich für mich, wer passt zu mir? Ein Überblick
- Business Angel
- Venture Capital Gesellschaften
- Accelerator
- Corporate Venture Capital-Gesellschaften
- Venture Loan-Geber
II. Finanzierungsarten – In welchen Formen wird Kapital bereitgestellt?
III. Finanzierungsprozess – Kennenlernen bis Geldeingang: wie verlaufen Verhandlungen mit Investoren?
IV. Verträge – Welche werden abgeschlossen?
V. Vertragliche Regelungen – Welche sind wichtig?
- Teil 1: Umsetzung der Beteilig./(Ab)Sicherung der Unternehmensbew./Meilensteine/ Nachfinanz.
- Teil 2: Garantien
- Teil 3: Verwässerungsschutz
- Teil 4: Vesting
- Teil 5: Nebentätigkeits- und Wettbewerbsverbot
- Teil 6: Schutz des Gesellschafterkreises
Folgen bald …
- Teil 7 Exitregelungen
- Teil 8 Erlösverteilung im Exit-Fall
- Teil 9 Informations- und Zustimmungsrechte
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