Startups, die Software vermarkten oder sogar selbst entwickeln und vermarkten, sind in der Regel verpflichtet, ihre Kunden über Möglichkeiten der angebotenen Software und deren Einsatzbereich aufzuklären. Insbesondere dann, wenn der Kunde selbst nicht technisch bewandert ist, bestehen umfangreiche Hinweis- und Beratungspflichten des Startups.
- Wie genau muss eine solche Beratung aussehen und worauf muss der Kunde konkret hingewiesen werden?
- Wie lassen sich diese Beratungspflichten in der Praxis umsetzen?
Hierüber klären wir in Teil 1 unseres Beitrags auf und erläutern, wann Software-Startups ihre Kunden in welchem Umfang aufklären müssen und wie diese Beratung in der Praxis umgesetzt werden kann.
In Teil 2 gehen wir auf mögliche Hinweis- und Beratungspflichten bei (SaaS-)Lizenzmodellen ein.
Grundsatz: keine generelle vorvertragliche Aufklärungs- und Beratungspflicht
Grundsätzlich gibt es keine Verpflichtung, einen Kunden vor Vertragsschluss über bestimmte Umstände aufzuklären oder zu beraten. Kauft ein Kunde z.B. einen Fernseher im Elektronikmarkt, besteht keine Verpflichtung des Marktes, ihn darüber aufzuklären, welche Funktionen der Fernseher anbietet.
Sonderfall: Beratungspflichten bei Software
In Bezug auf Software hat sich in der Rechtsprechung jedoch eine Tendenz herausgebildet, nach der Anbieter von Software zu einer umfassenden vorvertraglichen Beratung verpflichtet sind. Hintergrund der Beratungspflicht ist die Überlegung, dass der Anbieter der Software in der Regel ein deutlich besseres technisches Verständnis als sein Kunde hat, also ein enormes Wissensgefälle zwischen Anbieter und Kunde z.B. hinsichtlich des Funktionsumfanges der Software besteht.
Entscheidendes Kriterium für Beratungspflichten: überlegene Sachkunde
Diese sog. „überlegene Sachkunde“ ist das entscheidende Kriterium, an dem die Rechtsprechung festmacht, ob entsprechende Beratungspflichten für Software-Startups bestehen oder nicht.
Eine entsprechende Sachkunde auf Seiten des Startups liegt nur vor, wenn das Startups über spezifisches Wissen in Bezug auf die angebotene Software verfügt. Diese kann sich z.B. auf die Funktionen und Möglichkeiten des Einsatzes der Software, die benötigte Hard- und Software-Umgebung, in der die Software eingesetzt werden soll oder die durch die Software durchgeführte Datenverarbeitung, beziehen. Damit es sich bei dieser Sachkunde auch um eine „überlegene“ Sachkunde handelt, darf der Kunde über dieses spezifische Wissen nicht oder nur eingeschränkt verfügen. Maßstab ist dabei immer das konkrete Projekt bzw. die konkrete Software. Dies bedeutet, dass auch technisch versierte Kunde in Bezug auf das Wissen über die konkrete Software nur eine unterlegene Sachkunde haben können.
Wissen des Kunden auf hohem technischen Niveau lässt Beratungspflichten entfallen
Verfügt der Kunde tatsächlich über Fachkenntnisse auf demselben Niveau wie das Startup, entfallen sämtliche Beratungspflichten.
Im Übrigen richtet sich der Umfang der Beratungspflichten nach dem Stand des Wissens des Kunden. Das bedeutet, je sachkundiger der Kunde, desto weniger Beratungs- und Aufklärungspflichten bestehen für das Startup. Beratungspflichten können sich dabei z.B. beziehen auf:
- Art und Weise der Verwendung der Software im konkreten Unternehmen
- Technische Ausgestaltung des IT-Systems und der Software
- Anforderungen an vorhandene IT (Hard- und Software)
- Kompatibilitätsprobleme
- Kapazitätsprobleme
- Modellwechsel der Software
- Umsetzungshindernisse bei den Wünschen des Kunden
- Kosten und Folgekosten
- Günstigere Umsetzungsmöglichkeiten
Erkennbarkeit des Wissensgefälles entscheidend
Das Wissensgefälle zwischen Kunde und Startup muss für das Startup auch erkennbar sein. Stellt sich der Kunde gegenüber dem Startup als sachkundig dar, kann das Startup davon ausgehen, dass keine weitere Beratung notwendig ist.
Da das Startup im Zweifelsfall jedoch beweisen muss, dass sich der Kunde als sachkundig dargestellt hat, empfiehlt es sich, in der Praxis grundsätzlich von einem entsprechenden Wissensgefälle auszugehen. Startups sollten daher standardmäßig eine umfangreiche Dokumentation der Software inklusive Schilderung deren Funktionen und der benötigen Hard- und Software-Umgebung vor Vertragsschluss zur Verfügung zu stellen. Startups sollten den Kunden zudem aktiv auf Besonderheiten der Software oder deren Implementierung hinweisen und dies auch entsprechend dokumentieren. So kann das Startup im Zweifel nachweisen, dass es seinen Beratungspflichten nachgekommen ist.
Weist der Kunde explizit darauf hin, dass ihm die entsprechende Sachkunde fehlt, sind die Beratungspflichten entsprechend weitergehend. In diesem Fall bietet es sich an, ein intensives Vorgespräch mit dem Kunden zu führen und dessen Anforderungen an die Software zu ermitteln und mit den Funktionen der Software abzugleichen.
Alterativ: Abschluss eines Beratungsvertrages
Ist dem Startup bereits im Vorfeld bekannt, dass die angebotene Software nicht ohne weiteres bei dem entsprechenden Kunden implementiert werden kann oder es einer umfangreichen Beratung bedarf, besteht die Möglichkeit, einen gesonderten Beratungsvertrag zu vereinbaren, der ggf. den entstehenden Beratungsaufwand auch entsprechend vergütet. Wird ein solcher Beratungsvertrag nicht gesondert abgeschlossen, ist die Beratungsleistung kein selbstständiger Vertrag, sondern Leistungsbestandteil des jeweiligen Auftrages und wird entsprechend auch nicht gesondert vergütet.
Fazit: im Hinblick auf Beratungspflichten proaktiv Informationen anbieten!
Da im Zweifel eher davon auszugehen ist, dass ein Startup, welches Software entwickelt oder vertreibt, einen Wissensvorsprung vor seinem Kunden hat, sollten Startups vorsorgen und entsprechende Informationen proaktiv anbieten. Dies kann z.B. in Form einer umfangreichen Dokumentation geschehen. Zum Nachweis der Erfüllung der Beratungspflichten sollte die Übergabe der Dokumente festgehalten werden. Findet darüber hinaus eine persönliche Beratung statt, sollte diese entsprechend protokolliert werden.
Beratungspflichten bei Software
- Proaktiv umfangreiche Dokumentation anbieten
- Auf benötigte Hard- und Software-Umgebung hinweisen
- Bedarf beim Kunden abfragen
- Beratung auf den jeweiligen Kunden und dessen Bedarf anpassen
- Ggf. gesonderten Beratungsvertrag abschließen
- Beratung ausreichend dokumentieren (z.B. durch Beratungsprotokoll)
Hier geht es zu Teil 2
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