23 / 07 / 2019
Urheberrecht für Start-ups Teil 2: Big Data - Urheberrechtliche Grenzen des Text- und Data Mining
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Big Data, Machine Learning und Data Mining sind Buzzwords unserer Zeit. Kaum ein Startup-Pitch, der ohne die Zauberworte von der großen Datenverarbeitung und vom maschinellen Lernen auskommt. Allen Technologien ist dabei gemein, dass sie im Ursprung auf Data Mining zurückgreifen müssen, um an den Grundstoff für ihre Algorithmen zu kommen: maschinell verarbeitbare Daten.

Für Startups mit Geschäftsmodellen aus dem Big Data-Bereich stellt sich oft die Frage, wann die für das Data Mining notwendigen Datenverarbeitungen rechtlich problematisch sind. Hierbei ist neben datenschutzrechtlichen Aspekten entscheidend, ob beim Data Mining Urheber- oder verwandte Schutzrechte verletzt werden. Denn bei Urheberrechtsverletzungen drohen sehr unliebsame Abmahnungen und Klagen.

Was bedeutet Data Mining?

In der neuen EU-Urheberrechtsrichtlinie wird Data Mining wie folgt definiert:

Data Mining bezeichnet eine Technik für die automatisierte Analyse von Texten und Daten in digitaler Form, mit deren Hilfe Informationen unter anderem – aber nicht ausschließlich – über Muster, Trends und Korrelationen gewonnen werden können.

Data Mining tritt in verschiedenen Erscheinungsformen auf, typisch ist aber, dass Daten aus einer bestehenden Datenbank entnommen werden (Extraktionsphase) und diese dann so verarbeitet werden, dass sie maschinell lesbar sind (Verarbeitungsphase). Dabei findet ein systematisches Auslesen einer Datenbank in der Weise statt, dass jeder einzelne Inhalt nacheinander ausgelesen und dann (zumindest) im Arbeitsspeicher zwischengespeichert und dabei verarbeitet wird.

Status Quo: mögliche Rechtsverletzungen durch Data Mining

Das Data Mining teilt das Schicksal vieler innovativer Techniken: zu Beginn fällt die juristische Einordnung schwer. Bei einer systematischen Darstellung sind zwei mögliche Rechtsverletzungen zu unterscheiden: zum einen die mögliche Verletzung des Leistungsschutzrechts des Datenbankherstellers an der Datenbank selbst und zum anderen eine mögliche Verletzung von Urheberrechten, wenn in der Datenbank urheberrechtlich geschützte Inhalte gespeichert sind, die verarbeitet werden.

Beispiel: das Recht aus einer Bilddatenbank insgesamt liegt beim Hersteller der Datenbank A und das Recht an zwei einzelnen Bildern, die in der Datenbank enthalten sind, liegt bei der Photographin B.

Verletzung der Rechte des Datenbankherstellers? Zustimmung notwendig

Im Vergleich zum urheberrechtlichen Schutz von Foto- und Filmwerken ist das Recht des Herstellers einer Datenbank aus § 87b UrhG, die Datenbank insgesamt oder in wesentlichen Teilen zu vervielfältigen oder zu veröffentlichen, relativ unbekannt. Danach ist nur die bloße Nutzung der Datenbank ohne Zustimmung des Rechteinhabers erlaubt, ebenso wie die Vervielfältigung oder Veröffentlichung von unwesentlichen Teilen der Datenbank. Allerdings ist die systematische Vervielfältigung von unwesentlichen Teilen nur dann zulässig, wenn dadurch die berechtigten Interessen des Datenbankherstellers nicht unzumutbar beeinträchtigt werden. Hier stellt sich beim Data Mining die Frage, ob die jeweils nur einzelne Auswertung von Datenbankinhalten, die aber systematisch erfolgt, die berechtigten Interessen des Datenbankherstellers nicht unzumutbar beeinträchtigt. Wann eine solche unzumutbare Beeinträchtigung vorliegt, ist jedoch in der Rechtsprechung nicht eindeutig geklärt.

Hier ist daher aus anwaltlicher Sicht immer zu empfehlen, vor der Nutzung der Datenbank eine Zustimmung des Herstellers der Datenbank einzuholen, um das Risiko von Rechtsverletzungen auszuschließen.

Verarbeitungsphase: Verletzung von Urheberrechten durch Zwischenspeicherung?

In der nachfolgenden Verarbeitungsphase gilt Folgendes: wenn das aus der Datenbank extrahierte Material keinem Schutz nach dem Urheberrechtsgesetz unterliegt, stellt die weitere Verarbeitung auch kein urheberrechtliches Problem dar. Wenn allerdings urheberrechtlich geschütztes Material, etwa Fotographien genutzt werden, stellt sich die Frage, ob die Verarbeitung des Materials eine erlaubnispflichtige Nutzung darstellt. Ausgangspunkt ist, dass eine dauerhafte Speicherung zumindest für die meisten Startups (für wissenschaftliche Forschung besteht eine Ausnahme) nur mit Zustimmung der Rechteinhaber zulässig ist.

Interessanter ist die Frage, ob auch eine bloße Verarbeitung der Daten, die notwendigerweise mit einer Speicherung im Arbeitsspeicher einhergeht, auch ohne Zustimmung der Urheber erfolgen kann. Die hierfür entscheidende Frage ist, ob die Auswertung zu Zwecken des Data Mining eine rechtmäßige Nutzung darstellt und ob sie keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung hat. Auch diese Fragen sind im Wesentlichen in der Rechtsprechung ungeklärt.

Allerdings spricht hier Vieles für eine Zulässigkeit. So lässt sich für eine zulässige Nutzung mit dem Zweck des Urhebergesetzes argumentieren: das Urheberrecht schützt grundsätzlich nur die Form, nicht den Inhalt. Bei der Verarbeitung ist das Ziel jedoch nur, Informationen aus dem ursprünglichen Werk zu extrahieren, nicht das Werk selbst in seiner ursprünglichen Form weiter zu nutzen. Darüber hinaus hat die Verarbeitung auch keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung. Denn die kommerzielle Verwertung des einzelnen Werkes wird durch seine zwischenzeitliche Speicherung nicht gefährdet. Im Ergebnis führt die Verarbeitung nach hiesiger Einschätzung nicht zu einer Rechtsverletzung. Allerdings bleibt auch hier angesichts der bisher ungeklärten Rechtslage ein Stück Unsicherheit, ob die Gerichte dieser Einschätzung auch tatsächlich folgen würden.

Mehr Rechtssicherheit durch neue Urheberrechtsrichtlinie 2019?

Für alle Startups, die auf Big Data und Data Mining setzen, zeigt sich daher ein relativ komplexes rechtliches Bild. Hoffnung auf Besserung ergibt sich durch die 2019 verabschiedete Urheberrechtsrichtlinie. Diese enthält neben den hoch kontrovers diskutierten Urheberrechtsfiltern auch eine Regelung zum Data Mining. Die Richtlinie sieht nun in Art. 4 ein Opt-Out-Modell vor, nach dem die Rechteinhaber nur die Möglichkeit haben sollen, bei Online verfügbaren Datenbanken in maschinenlesbarer Form zu widersprechen. Damit soll Data Mining weitgehend ermöglicht werden, ohne auf eine vorherige Zustimmung des Rechteinhabers angewiesen zu sein. Diese Regelung deutet daher auf eine deutliche Erleichterung im Vergleich zum jetzigen Status Quo hin. Allerdings gilt die europäische Richtlinie nicht direkt, sondern muss in Deutschland in den nächsten zwei Jahren umgesetzt werden. Wie die Erleichterungen für Data Mining damit konkret aussehen werden, muss noch abgewartet werden. Das Thema Data Mining und Urheberrecht bleibt damit weiterhin aktuell.

Urheberrecht für Startups – Teil 1: Grundlagen und Überblick

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