13 / 10 / 2017
ICOs – Der Heilige Gral der Startup-Finanzierung oder ein rechtliches Minenfeld?

Wer sich in der Startup- oder Blockchain-Szene bewegt, dürfte derzeit kaum um das Thema ICO herumkommen. Schon erheben sich Stimmen, die das Ende der Venture Capital – Gesellschaften kommen sehen, weil Startups in ICOs vermeintlich den Heiligen Gral ihrer Finanzierung gefunden haben. In diesem #StartupTrend geben wir einen kurzen Überblick über das Thema und zeigen die rechtlichen Hintergründe auf, die das Thema ICO berührt. Eine ausführliche Darstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen werden wir demnächst als #StartupBriefing veröffentlichen.

Was ist ein ICO?

ICO steht für Initial Coin Offering und meint die erstmalige Ausgabe einer (virtuellen) Kryptowährung.

Nicht nur begrifflich eine Anlehnung an Börsengänge von Unternehmen, sog. IPOs (Initial Public Offerings). Auch bei einem ICO handelt es sich nämlich um eine Form der Unternehmensfinanzierung. Anders als bei einem IPO gibt das zu finanzierende Unternehmen aber keine handelbaren Wertpapiere (z.B. Aktien) aus, sondern Coins oder sogenannte Tokens und damit eine neu geschaffene Kryptowährung. Die Ausgabe der Tokens erfolgt dabei häufig nicht gegen Geld, sondern gegen Bitcoin, Ether oder andere Kryptowährungen.

Der Ablauf eines ICO kann am ehesten mit dem Verfahren bei einem Crowdfunding bzw. Crowdinvesting verglichen werden. Über eine Plattform (z.B. auf der dezentralisierten Plattform Ethereum) werden die Tokens an eine Vielzahl von Personen weltweit ausgegeben, die im Gegenzug eine Leistung zur Finanzierung des emittierenden Unternehmens erbringen. Das Besondere an einem ICO ist die Erschaffung und Ausgabe einer neuen Kryptowährung auf Basis der Blockchain-Technologie (Insoweit können im Rahmen des ICO auch sogenannte Smart Contracts nach dem code is law – Prinzip implementiert werden).

ICOs als Ersatz für Venture Capital oder Projektfinanzierungen?

Die Vorteile eines ICO scheinen klar auf der Hand zu liegen: Unbegrenzter Kreis potentieller Geldgeber, die über das Internet weltweit erreicht werden können, fast automatisierte Begebung und Abwicklung über die Blockchain unter Ausschaltung vieler Intermediäre und damit minimale Emissionskosten. Zudem besteht bei entsprechender Ausgestaltung die Möglichkeit eines Handels über den Zweitmarkt und die Implementierung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen (ESOP). Die Bezeichnung „Heiliger Gral der Startup-Finanzierung“ drängt sich damit auf.

Die Beliebtheit von ICOs als alternative Form der Unternehmens- oder Projektfinanzierung hat deshalb innerhalb kürzester Zeit zugenommen. ICOs erreichen zum Teil mit einer beachtliche Marktkapitalisierung. So konnte zum Beispiel das israelische Startup Bancor ca. 153 Mio. USD im Rahmen eines ICO aufnehmen (Quelle: http://t3n.de/news/ico-bancor-153-millionen-dollar-830283/). Im bisherigen Verlauf des Jahres 2017 sind im Rahmen von ICOs insgesamt ca. 2,4 Mrd. USD eingeworben worden (Stand: September 2017; Quelle: https://www.coindesk.com/ico-tracker/). Zwar ist das Gesamtemissionsvolumen damit im Verhältnis zu den Investitionsvolumina im Bereich Venture Capital immer noch recht gering, allerdings ist ein starker Aufwärtstrend zu verzeichnen. Zudem sind die Emissionsvolumina pro Projekt bzw. Startup relativ hoch für eine Seedfinanzierung. Dies gilt umso mehr, als bei vielen ICOs das Projekt oder Geschäftsmodell lediglich auf einem White Paper existiert, das Startup jedoch noch nicht am Markt ist – eine Situation, die zumindest in Deutschland nur ausnahmsweise den Zuspruch von Venture Capital Gesellschaften erhält.

Regulatorische Rahmenbedingungen

Wenn man die Vorteile und die kurzfristigen Erfolge von ICOs betrachtet, ist man als Startup geneigt, diese Finanzierungsform sofort für die eigenen Zwecke nutzen zu wollen. Verständlich. Wenn man das tun möchte, sollte man sich jedoch ganz intensiv mit den hierfür geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen auseinandersetzen. Diese stellen wir Euch nachfolgend im Überblick dar. Kurz vorab: Dieser Rechtsrahmen ist alles andere als trivial.

Ausgestaltung des Tokens maßgeblich

Sowohl in wirtschaftlicher, als auch in rechtlicher Hinsicht spielen die Ausstattungsmerkmale der im Rahmen eines ICO ausgegebenen Tokens eine wesentliche Rolle. Insbesondere sind die Ausstattungsmerkmale der Tokens entscheidend für die anwendbaren regulatorischen Rahmenbedingungen. Die konkreten Ausstattungsmerkmale werden jeweils vor dem ICO in einem White Paper festgelegt.

Grundsätzlich kann zwischen sogenannten Intrinsic Tokens bzw. Native Tokens (z.B. BTC/Bitcoin; XRP/Ripple, ETH/Etherium) und Assed-backed Tokens unterschieden werden. Letzte verkörpern vereinfacht gesprochen einen Anspruch auf einen zugrundeliegenden Basiswert. So kann beispielsweise vorgesehen werden, dass die ausgegebenen Token gegen eine künftige Leistung oder ein künftiges Produkt eingetauscht werden können.

Denkbar ist auch, dass ein Token eine Gewinnbeteiligung und sogar Mitspracherechte (z.B. Stimmrechte) vermittelt, ähnlich wie bei Aktien oder sonstigen Unternehmensbeteiligungen (z.B. Genussrechten). Soweit solche Mitbestimmungsrechte gewährt werden, spricht man auch von einer „Decentralized Autonomous Organization“ (DAO). Dies geht sogar soweit, dass der Erwerb von Tokens im Rahmen eines ICO an den Erwerb von Unternehmensanteilen geknüpft oder – je nach Rechtsform des Unternehmen – den Erwerb eines Unternehmensanteils darstellen kann.

Häufig vermittelt ein Token jedoch nur die Möglichkeit, eine künftige Leistung gegen den Eintausch des Tokens zu beziehen, ggf. zu einem rabattierten Preis. Insoweit spricht man bei einem ICO auch von einem sogenannten Crowdsale, also einem Vorverkauf auf Basis von Kryptowährung.

Unreguliert oder rechtliches Minenfeld?

Weder noch. In Teilen der Startup- und Krypto-Szene entstand zunächst schnell die Auffassung, ICOs seien mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung unreguliert. Das ist in dieser Pauschalität schlichtweg falsch.

Achtung!

Ein ICO wird in der Regel nie völlig unreguliert sein.

Viele Startups sind sich daher gar nicht bewusst, dass ICOs bei einem Inlandbezug, d.h. der Ansprache des deutschen Marktes bzw. in Deutschland ansässiger Investoren, den Regelungen des deutschen Rechts und damit vor allem der Kontrolle durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsrecht (BaFin) unterliegen können. Das kann selbst bei einer „Flucht ins Ausland“ gelten, z.B. in das sogenannte Crypto Valley in Zug (Schweiz), wo die Crypto Valley Association ihren Sitz hat. Vielmehr sind im Falle eines ICO aufgrund des internetbasierten Vertriebs üblicherweise eine Vielzahl von Jurisdiktionen mit unterschiedlichen Rechtsrahmen berührt, so dass ein ICO in der Regel nie völlig unreguliert sein wird. Zudem steigt die Zahl der Jurisdiktionen, in denen ICOs mittlerweile verboten, reguliert oder zumindest Gegenstand einer Regulierungsdebatte sind.

Im Hinblick auf das deutsche Recht sind vor allem folgende Rechtsgebiete regelmäßig berührt:

  • (Bank-) Aufsichtsrecht
  • Prospektrecht
  • Datenschutzrecht
  • Fernabsatzrecht
  • Steuer- und Gewerberecht

Je nach Ausstattungsmerkmalen der Tokens können diese beispielsweise eine Vermögensanlage (z.B. ein Genussrecht) im Sinne des Vermögensanlagengesetzes darstellen. In diesem Fall muss vor dem öffentlichen Angebot von Tokens im Rahmen des ICO grundsätzlich ein Vermögensanlagenprospekt erstellt, von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gebilligt und veröffentlicht werden.

Da die Tokens über das Internet und damit im Fernabsatz vertrieben werden, sind zudem grundsätzlich die Vorschriften zum Fernabsatzrecht zu beachten. Zu nennen sind hier insbesondere die fernabsatzrechtlichen Informationspflichten. Dies kann sogar unabhängig davon gelten, ob die Tokens wie eine Vermögensanlage ausgestaltet sind oder lediglich ein Crowdsale von Native Tokens stattfinden.

Die Initiatoren eines ICO sollten dabei bedenken, dass Verstöße gegen regulatorische Vorgaben zum, Teil ordnungswidrig oder strafbar sind und Bußgelder, Schadens- und Unterlassungsansprüche nach sich ziehen können.

Fazit

Die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für ICOs sind äußerst dynamisch. Grundsätzlich kann man sagen, dass ein ICO derzeit eine spannende Alternative bzw. Ergänzung zu klassischen Startup- oder Projektfinanzierungsformen darstellen kann, insbesondere für Startups und Projekte, die zu früh für eine (großvolumige) Venture Capital – Finanzierung sind. Zudem gehen mit einem ICO die bekannten Vorteile des Crowdfunding/Crowdinvesting einher (vgl. hier unsere Artikelreihe zum Thema Crowdinvesting; diese kann HIER kostenlos heruntergeladen werden).

Initiatoren und Gründer sollten sich allerdings bewusst sein, dass ICO keinesfalls per se unreguliert sind – selbst wenn der ICO aus dem Ausland gesteuert wird. Aber auch, wenn vieles noch unklar ist, lassen sich durch eine Prüfung des im Einzelfall anwendbaren Rechtsrahmens sowie einer sauberen Vorbereitung, Strukturierung und Durchführung Kosten, Risiken und Unsicherheiten vermeiden. Aus rechtlicher Sicht empfiehlt sich die Einschaltung von Rechtsanwälten, die sich sowohl mit Fragen der Startup – Finanzierung, als auch mit Internetrecht und Aufsichtsrecht auskennen. Diese Themen greifen bei einem ICO nämlich unmittelbar ineinander.

 

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