17 / 09 / 2019
How to STO/IEO/ITO*? Ein Kurzleitfaden für die Praxis (Teil 1)

Wer als Emittent die Ausgabe von sog. Security Token, d.h. mithilfe der Blockchain/DLT-Technologie tokenisierter Vermögensanlagen oder Wertpapiere, beabsichtigt, hat eine Vielzahl rechtlicher und praktischer Fragen zu berücksichtigen. Einen wesentlichen Teil macht dabei die Abstimmung mit der zuständigen Aufsichtsbehörde im Hinblick auf etwaige Erlaubnis- und Prospektpflichten aus. Im Markt herrscht zu großen Teilen noch der Eindruck, dass man dabei ein völlig neues Terrain betritt und sich die Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde gerade deswegen als schwierig erweist. Tatsächlich können zeitliche Verzögerungen und Schwierigkeiten im Rahmen der Abstimmung eines ITO mit der Aufsichtsbehörde aber häufig auf Unkenntnis und Unerfahrenheit zurückgeführt werden. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) kürzlich ein zweites Hinweisschreiben zu Prospekt- und Erlaubnispflichten im Zusammenhang mit der Ausgabe sog. Krypto-Token veröffentlicht (GZ: WA 51-Wp 7100-2019/0011 und IF 1-AZB 1505-2019/0003; Merkblatt).

Bei FinTech-affinen Rechtsberatern und sonstigen Marktteilnehmern, die im Bereich Aufsichts-, Prospekt- und Kapitalmarktrecht erfahren sind, dürften die Inhalte dieses Hinweisschreibens allerdings nicht wirklich überraschend sein. Gerade die von der BaFin beschriebene Vorgehensweise zur Vorbereitung von Anfragen dürfte für erfahrene Berater vielmehr Best Practice sein.

Damit Emittenten von Security Token und deren STO/ITO-Berater im Rahmen der organisatorischen und zeitlichen Planung eines ITO besser abschätzen können, welche Schritte zur Vorbereitung einer Anfrage bei der BaFin hinsichtlich etwaiger Erlaubnis- und Prospektpflichten sowie eines WIB-Gestattungsverfahrens bzw. Prospektbilligungsverfahrens erforderlich sind, können sie sich an folgendem Kurzleitfaden orientieren.

1. Initiale Planung

In einem ersten Schritt sind die wirtschaftlichen Ziele des ITO festzulegen. Zudem sollte als Grundlage für die grundsätzliche Entscheidung über die Durchführung eines ITO eine Investitions- und Rentabilitätsrechnung erstellt sowie die wirtschaftliche Lage und Leistungsfähigkeit des Emittenten geprüft werden. Sodann sollten im Rahmen der initialen Planung auch die externen Dienstleister (insb. Berater) ausgewählt werden.

Es sollte zudem geprüft werden, welche gesellschaftsrechtlichen Erfordernisse bestehen. Insbesondere kann für die Durchführung eines ITO ein zustimmender Beschluss der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung erforderlich sein. Soweit es für die Geschäftsführung einen Katalog zustimmungspflichtiger Maßnahmen und Geschäfte gibt, sind zudem die hieraus resultierenden Anforderungen zu beachten (z.B. vor Beauftragung von Beratern und Dienstleistern im Zusammenhang mit dem ITO).

2. Auswahl und Strukturierung des Finanzinstrumentes

Zunächst sind die wirtschaftlichen Ziele des ITO festzulegen und bei der Auswahl und rechtlichen Strukturierung des Token zu berücksichtigen. Auch wenn aufgrund der regulatorischen Rahmenbedingungen häufig Kompromisse eingegangen werden müssen, sollten die wirtschaftlichen Ziele immer Priorität haben. Die Strukturierung sollte dennoch immer auch mit Blick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen erfolgen. Dabei ist im Regelfall zu berücksichtigen, ob

  • Erlaubnispflichten bestehen bzw. vermieden werden sollen,
  • der Token in einer Urkunde verbrieft werden muss,
  • sonstige formale Anforderungen erfüllt sein müssen (z.B. Unterzeichnung der Urkunde, Verkörperung der Anleihebedingungen) und
  • Ausnahmen von Prospektpflichten oder zumindest Erleichterungen in Betracht kommen (z.B. sog. Wachstumsprospekt).

In aller Euphorie über die Blockchain-/DL-Technologie und die Möglichkeit eines ITO sollten sich Emittenten immer die Frage stellen, welchen Mehrwert sie sich von einem ITO gegenüber klassischen Emissionsformen erhoffen. Im Zusammenhang mit den emissionsbegleitenden Beratern ist zu erörtern, ob dieser Mehrwert auch tatsächlich erzielt werden kann.

Praxis-Tipp

Bei der Auswahl des Finanzinstruments und der Strukturierung des Token sollte neben den wirtschaftlichen Zielen und rechtlichen Rahmenbedingungen auch immer an den Vertrieb gedacht werden. Immerhin hängt der wirtschaftliche Erfolg eines ITO davon ab, dass der Token auch tatsächlich erfolgreich an die Anleger platziert werden kann. Insoweit ist gerade bei eher ausgefallenen Strukturierungen immer zu bedenken, ob der angesprochene Anlegerkreis bzw. Zielmarkt das Produkt verstehen und attraktiv finden wird.

In Abhängigkeit von dem gewählten Finanzinstrument und der Struktur sind vom Emittenten bei einem ITO in Deutschland im Regelfall insb. folgende Gesetze zu beachten:

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB)
  • Schuldverschreibungsgesetz (SchVG)
  • Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) oder Wertpapierprospektgesetz (WpPG)
  • Wertpapierhandelsgesetz (WpHG)
  • Kapitalanlagengesetzbuch (KAGB)
  • Kreditwesengesetz (KWG)
  • Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG)
  • Geldwäschegesetz (GwG)
  • Depotgesetz (DepotG)
  • PRIIPS-Verordnung

Im Markt ist leider häufig die Fehlvorstellung anzutreffen, dass die BaFin bei einer Prüfung des Vorhabens und des Prospekts auch die Einhaltung aller einschlägigen Gesetze bestätigt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr prüft die BaFin ausschließlich im Rahmen des ihr vom Gesetz zugewiesenen Kompetenzbereichs. Hierzu gehört bspw. nicht die Prüfung der Einhaltung zivilrechtlicher Vorgaben. Gleichwohl sollten solche Aspekte im Rahmen der Vorbereitung des ITO mit der BaFin diskutiert werden, um etwaige Bedenken zu erörtern.

3. Besonderheiten bei der Planung von länderübergreifenden ITO

Soweit der Token in mehreren Mitgliedsstaaten der Europäischen Union öffentlich angeboten werden soll, ist dem ebenfalls bereits im Rahmen der Strukturierung Rechnung zu tragen. Soweit der Token als Wertpapier im Sinne des WpPG strukturiert ist, kommt ein sog. EU-Passporting und die Anwendung eines anderen Sprachregimes in Betracht. Vereinfacht gesagt wird der für den ITO zu erstellende Wertpapierprospekt hierbei von der Aufsichtsbehörde eines EU-Mitgliedsstaates gebilligt und auf Antrag von der Aufsichtsbehörde eines weiteren Mitgliedsstaates, in dem der Token ebenfalls vertrieben werden soll, ohne ein weiteres Billigungsverfahren notifiziert. Im Bereich der Vermögensanlagen gibt es ein solches Verfahren mangels eines einheitlichen europäischen Rechtsrahmens derzeit nicht. Zu beachten ist allerdings, dass das Notifizierungsverfahren z.T. nicht mit bestimmten Ausnahmen bzw. Erleichterungen kombiniert werden kann.

Weiterhin muss der Emittent entscheiden, in welchem EU-Mitgliedsstaat das Prospektbilligungsverfahren durchgeführt werden soll. Zwar liegt es nahe, dass ein Emittent mit Sitz in Deutschland den Wertpapierprospekt für einen ITO in Deutschland von der BaFin billigen lässt. Zwingend ist dies jedoch nicht. Häufig fällt die Wahl auch auf ein Prospektbilligungsverfahren in Luxemburg vor der dort zuständigen Aufsichtsbehörde CSSF. Ausschlaggebend für die Entscheidung können neben den Kosten die jeweilige Verwaltungspraxis sowie rechtliche Erleichterungen sein. Es sind jedoch immer die Umstände des Einzelfalls zu beachten, so dass eine pauschale Empfehlung nicht gegeben werden kann.

4. Frühzeitige Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde

Wie bei einem Börsengang oder sonstigen öffentlichen Angeboten empfiehlt sich auch bei einem ITO eine frühzeitige Abstimmung mit der zuständigen Aufsichtsbehörde. Emittenten sollte dabei jedoch klar sein, dass die Aufsichtsbehörde keine Rechtsberatung erbringt und es nicht ihre Aufgabe ist, an der rechtssicheren Strukturierung des ITO mitzuwirken. Insoweit ist es im Hinblick auf den meist straffen Zeitplan eines ITO erforderlich, dass Anfragen an die Aufsichtsbehörden gut vorbereitet sind und alle zur Beurteilung erforderlichen Unterlagen und Informationen sowie eine eigene rechtliche Stellungnahme enthalten.

Da es sich bei einem ITO um eine innovative Form der Kapitalaufnahme handelt und viele rechtliche Aspekte daher momentan noch Gegenstand von Diskussionen bzw. im Fluss sind, sollte im Hinblick auf die Planung ausreichend Zeit für Diskussionen mit den jeweils zuständigen Referaten der Aufsichtsbehörde eingeplant werden. Soweit sich im Rahmen der Strukturierung des Token die Frage nach einer Erlaubnispflicht gemäß dem KWG ergeben sollte, kommt auch eine Vorab-Anfrage bei der für den Emittenten örtlich zuständigen Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Betracht. Häufig können erste Fragen so schon zeitnah geklärt werden.

Die Anfrage an die Aufsichtsbehörde sollte nicht nur das geplante Vorhaben und die rechtliche Beurteilung („Selbsteinschätzung“) genau darstellen, sondern auch Angaben zum Zeitplan enthalten. Dies ist enorm wichtig, um der Aufsichtsbehörde eine Planung der eigenen Ressourcen zu ermöglichen oder etwaige Bedenken zu klären.

Im Rahmen einer ersten Erörterung mit der Aufsichtsbehörde sollten neben den grundsätzlichen rechtlichen Aspekten und der Zeitplanung auch die in den Prospekt aufzunehmenden Finanzinformationen besprochen werden. Häufig liegen diese bei der ersten Prospekteinreichung noch nicht vor. Soweit die Aufsichtsbehörde besondere Anforderungen an die Finanzinformationen stellt (z.B. sog. Pro-Forma-Finanzinformationen), sind diese Vorgaben frühzeitig an den Steuerberater/Wirtschaftsprüfer des Emittenten weiterzugeben. Andernfalls kann es in der Praxis bspw. passieren, dass Zwischeninformationen erstellt werden müssen oder die zu erstellenden Finanzinformationen nicht im Rahmen des vorgesehenen Zeitplans vorliegen und sich die Prospektbilligung entsprechend verzögert.

5. Allgemeine Anforderungen an Anfrage

Anfragen an die Aufsichtsbehörde sollten professionell und zielführend gestaltet sein. Hierzu gehört, dass keine allgemeinen, rechts-, wirtschafts- oder sozialpolitischen Ausführungen zur Blockchain-/DL-Technologie oder Vorteile eines ITO übermittelt werden. Emittenten müssen sich bewusst sein, dass die Aufsichtsbehörden gesetzlich zugewiesenen Kompetenzbereich haben und daher nicht bzw. nur bedingt über einen eigenen Entscheidungsspielraum verfügen.

Zudem sollten alle für die Beurteilung des Vorhabens durch die Aufsichtsbehörde relevanten Dokumente übermittelt werden, soweit diese bereits vorliegen. Dies gilt insb. im Hinblick auf ein etwaiges White Paper, die Anleihe-/Anlage- bzw. Vertragsbedingungen (T&Cs) sowie sonstigen Begleitdokumente. Idealerweise sollte es sich hierbei bereits um die finalen Entwürfe handeln. Spätere Änderungen können zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung durch die Aufsichtsbehörde führen und sind von einer früheren Stellungnahme der Aufsichtsbehörde möglicherweise nicht gedeckt. Insoweit sind sämtliche Änderungen in den erforderlichen Informationen, Unterlagen, der Planung oder rechtlichen Beurteilung der Aufsichtsbehörde unverzüglich mitzuteilen.

Im Hinblick auf die ebenfalls einzureichende „Selbsteinschätzung“ ist zu beachten, dass ausführliche und vertretbare Ausführungen zu der rechtlichen Beurteilung eine Entscheidung der Aufsichtsbehörde positiv beeinflussen, zumindest jedoch erleichtern und daher zu einer zeitnahen Erledigung beitragen können. Die Relevanz der juristischen Vorbereitung ist daher nicht zu unterschätzen. Dabei sollte die Beurteilung sich streng an der Verwaltungspraxis der Aufsichtsbehörde orientieren und unnötiges Diskussionspotential vermeiden.

Folgende Mindestangaben sind laut BaFin für die aufsichtsrechtliche Einordnung eines ITO bzw. Token und die Bestimmung etwaiger Prospekt- oder Erlaubnispflichten erforderlich und daher im Zusammenhang mit der Anfrage zu übermitteln:

A – Generelle Informationen

  • Name des Projekts
  • Angaben über Projektbetreiber, Emittenten und ggfs. Anbieter (insb. die gesellschaftsrechtliche Struktur und/oder Konzernstruktur, beteiligte Personen etc.)
  • Formelle Angaben zum Projektbetreiber, Emittenten und ggfs. Anbieter (Firmensitz, Firmennamen, Adresse, E-Mail-Adresse, Internetseite etc.)
  • Verknüpfungen zu bzw. Tätigkeiten in anderen Ländern bzw. Finanzmärkten (inklusive aller etwaigen aufsichtlichen Lizenzen/Erlaubnisse der beteiligten Personen/Unternehmen)

B – Beschreibung des Geschäftsvorhabens

  • Beschreibung des Geschäftsmodells (insb. der umsatz- und profit-generierenden Teile, rechtliche Verhältnisse innerhalb des Unternehmens, möglichst mit graphischer Abbildung)
  • Anlegergruppe, auf die das Vorhaben abzielt (inklusive etwaiger Beschränkungen)
  • Voraussichtlicher zeitlicher Ablauf und Rahmen des geplanten ICO
  • Angabe des geplanten Gesamtvolumens der Mittelaufnahme und Beschreibung der geplanten Mittelverwendung

C – Beschreibung des Token

  • Token-Standard und weitere technische Ausgestaltung des Token, insb. zugrunde liegende Technologien
  • Gesetzliche Zahlungsmittel/Kryptowährungen, gegen die der Token erworben werden kann (inklusive geplanter Umwandlungskurs)
  • Funktionen des Token (insb. geplante Verwendung des Token)
  • Mit dem Token verknüpfte Rechte (ausführliche Beschreibung, insb. etwaige mitgliedschaftliche/vermögensmäßige Rechte wie Stimm-/Gewinnbezugsrechte)
  • Planung eines sog. Buy-Back-Mechanismus
  • Planung eines sog. Burning / Deflation-Mechanismus

D – Sonstiges

  • Planung der Einführung oder Nutzung von Handelsplattformen (insb. im Falle eine IEO relevant)
  • Falls ja: welche (Firmensitz, Firmennamen, Adresse, E-Mail-Adresse, Internetseite etc.)
  • Detaillierte Beschreibung der Übertragbarkeit und Handelbarkeit des Token
  • Rechtliche Beurteilung der Einordnung des Token als Finanzinstrument bzw. Wertpapier oder als Vermögensanlage („Selbsteinschätzung“) und rechtliche Begründung dieser Einschätzung

*ITO (Initial Token Offering) wird in diesem Artikel als Oberbegriff für STO (Security Token Offering) und IEO (Initial Exchange Offering) verwendet

Zeitnah folgt Teil 2 mit ausgewählten Fragen und Problemkonstellationen

  • Wertpapiereigenschaft des Token und weitergehende Anforderungen
  • Inlandsbezug des ITO
  • Einschaltung von Dienstleistern

 

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