Fast ein Jahr ist seit Veröffentlichung der Blockchain-Strategie der Bundesregierung (veröffentlicht am 18.09.2019, hier abrufbar) vergangen. Am 11.08.2020 war es dann endlich soweit: Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) sowie das Bundesministerium der Finanzen (BMF) haben einen Referentenentwurf zur Einführung von elektronischen Wertpapieren veröffentlicht („Referentenentwurf“). Hiermit soll in Umsetzung der Blockchain-Strategie der Bundesregierung sowie der vom BMJV und BMF definierten Eckpunkte für die regulatorische Behandlung von elektronischen Wertpapieren und Krypto-Token (veröffentlicht am 08.03.2019, hier abrufbar) das deutsche Wertpapierrecht und das dazugehörige Aufsichtsrecht modernisiert werden. Dies ist vor allem für die Emission blockchain-basierter Anleihen und sonstiger tokenisierter Wertpapiere relevant. Kern des Referentenentwurfs ist der Entwurf eines Gesetzes über elektronische Wertpapiere („eWpG“).
Nachfolgend möchten wir einen kurzen Überblick über den Referentenentwurf und die wesentlichen Regelungen des eWpG geben.
Hintergrund
Derzeit sind Wertpapiere nach dem deutschen Recht in einer Urkunde zu verbriefen. Bei Schuldverschreibungen gilt zudem, dass sich die Bedingungen zur Beschreibung der Leistung sowie der Rechte und Pflichten des Schuldners und der Gläubiger (kurz: die Anleihebedingungen) aus der Urkunde ergeben müssen.
Ein erster Schritt zur Schaffung eines Rechtsrahmens für tokenisierte Finanzinstrumente ist bereits mit Einführung des sog. Kryptoverwahrgeschäfts in das Kreditwesengesetz (KWG) gemacht worden. In diesem Zusammenhang fand auch der Begriff „Kryptowert“ erstmals Einzug in das deutsche Aufsichtsrecht.
Durch das eWpG soll nun daran anknüpfend die rechtliche Grundlage für einen elektronischen, aber technologieneutralen Ersatz von Papierurkunden geschaffen werden. Hierfür soll zunächst die elektronische Begebung von Schuldverschreibungen ermöglicht werden. Ein wichtiger Anwendungsfall ist sicherlich die elektronische Emission und Verbriefung von Wertpapieren auf Basis der Blockchain- bzw. Distributed Ledger-Technologie. Die neue gesetzliche Regelung soll sich aber hierauf nicht beschränken, sondern elektronische Wertpapiere unabhängig von der zugrunde liegenden Technologie erfassen.
Ferner soll durch den Referentenentwurf die Führung elektronischer Wertpapierregister ermöglicht werden.
Die Durchführung von Emissionen und das Führen dezentraler Register im Sinne des eWpG sollen zukünftig von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) beaufsichtigt werden.
Einführung von zwei Kategorien elektronischer Wertpapiere und Register
Kernelement des eWpG ist die Einführung von elektronischen Registern. Grundsätzlich unterscheidet das eWpG zwischen Kryptowertpapieren und sonstigen elektronischen Wertpapieren. Dementsprechend sieht das eWpG auch die Einführung zweier Arten von elektronischen Registern vor:
- Zentrale Register über elektronische Wertpapiere
- Kryptowertpapierregister
Das zentrale Register
Das zentrale Register über elektronische Wertpapiere soll (nur) von zugelassenen Zentralverwahrern geführt werden können. Nach Eintragung eines elektronischen Wertpapiers in das zentrale Register über elektronische Wertpapiere wird das jeweilige Wertpapier zur Abwicklung durch Einbuchung im Effektengiro bei dem Zentralverwahrer erfasst. Durch die Einbuchung im Effektengiro ist damit auch der Börsenhandel von elektronischen Wertpapieren problemlos möglich.
Das Kryptowertpapierregister
Das Kryptowertpapierregister muss nach den Regelungen des eWpG auf einem dezentralen und fälschungssicheren Aufzeichnungssystem geführt werden, in dem Daten in der Zeitfolge protokolliert und gegen unbefugte Löschung sowie nachträgliche Veränderung geschützt gespeichert werden. Der Referentenentwurf enthält bislang keine weitergehenden Bestimmungen zu den technologischen Anforderungen des Aufzeichnungssystems und auch keine Konkretisierung der Begriffe „dezentral“ und „fälschungssicher“.
Aufgrund der im eWpG enthaltenen Verordnungsermächtigungen ist davon auszugehen, dass Einzelheiten erst durch noch zu erlassende Verordnungen geregelt werden.
Ungeachtet dessen wird ein enger Austausch mit der Finanzaufsicht erforderlich sein und die Entwicklung einer verlässlichen Verwaltungspraxis sicherlich ein wenig Zeit in Anspruch nehmen.
Registerführende Stelle von Kryptowertpapierregistern ist, wer von einem Emittenten von Kryptowertpapieren gegenüber deren Inhabern als solche benannt wird. Soweit der Emittent keine registerführende Stelle benennt, gilt er selbst als registerführende Stelle und hat dementsprechend die hierfür geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu beachten.
Nach dem Referentenentwurf hat der Emittent ungeachtet dessen die erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen, um die Integrität und die Authentizität der Kryptowertpapiere für die gesamte Dauer der Eintragung zu gewährleisten oder – soweit erforderlich – Abhilfe zu schaffen. Tut er dies nicht, kann die Aufsichtsbehörde die Übertragung des Kryptowertpapiers in ein anderes elektronisches Wertpapierregister verlangen.
Einzeleintragung und Sammeleintragung
Der Referentenentwurf sieht vor, dass elektronische Wertpapiere auf Veranlassung des Emittenten auf den Namen einer Wertpapiersammelbank oder – im Fall von Kryptowertpapieren – auch auf den Namen des jeweiligen Verwahrers in das elektronische Wertpapierregister eingetragen werden (sog. Sammeleintragung).
Kryptowertpapiere können darüber hinaus auf Veranlassung des Emittenten auch auf den Namen des jeweils Berechtigten eingetragen werden (sog. Einzeleintragung), soweit dies in den Emissionsbedingungen vorgesehen ist. Auf Antrag des Inhabers können solche Einzeleintragungen auch in eine Sammeleintragung umgewandelt werden.
Erlaubnispflichten
Krypto-Wertpapier-Registerführung
Die Führung des zentralen Wertpapierregisters ist – wie bereits ausgeführt – zugelassenen Zentralverwahrern vorbehalten.
Wie das Kryptoverwahrgeschäft bedarf nach dem Referentenentwurf zukünftig aber auch die Führung eines Kryptowertpapierregisters (Krypto-Wertpapier-Registerführung) der schriftlichen Erlaubnis der BaFin nach Maßgabe des Kreditwesengesetzes. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sie entweder gewerbsmäßig oder aber in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, erfolgt. Soweit außer dem Kryptoverwahrgeschäft oder der Krypto-Wertpapier-Registerführung keine weiteren Finanzdienstleistungen im Sinne des § 1 Abs. 1a S. 2 KWG erbracht werden, gelten allerdings erleichterte Anforderungen, mithin sind bestimmte aufsichtsrechtliche Vorschriften nicht anzuwenden. Eine vollständige Ausnahme von der Erlaubnispflicht ist derzeit jedoch nicht vorgesehen.
Soweit ein Emittent von Kryptowertpapieren selbst als registerführende Stelle agiert oder aufgrund der gesetzlichen Fiktion gilt (s.o.), führt dies nach dem derzeitigen Referentenentwurf dazu, dass der Emittent einer schriftlichen Erlaubnis der BaFin bedarf. In der Praxis dürfte dies unter Berücksichtigung der vorhandenen Kompetenzen und Ressourcen sowie der aufsichtsrechtlichen Anforderungen und Verantwortlichkeiten regelmäßig kaum umsetzbar sein.
Depotgeschäft und Kryptoverwahrgeschäft
Nach den gesetzlichen Neuregelungen unterliegen die Verwahrung und Verwaltung von elektronischen Wertpapieren den Bestimmungen zum Depotgeschäft. Das gilt auch für die Verwaltung und Verwahrung von Kryptowertpapieren, da diese nur eine Unterordnung von elektronischen Wertpapieren darstellen. Dies entspricht auch der bisherigen Konzeption des Kryptoverwahrgeschäfts, welches nach dem Willen des Gesetzgebers hinter dem Depotgeschäft und dem eingeschränkten Verwahrgeschäft zurücktreten soll, soweit es sich um Wertpapiere handelt. Die durch den Referentenentwurf vorgesehene Erweiterung des Tatbestandes des Kryptoverwahrgeschäfts bezieht sich insoweit nur auf die Sicherung von kryptographischen Schlüsseln, die den Zugriff auf Kryptowertpapiere ermöglichen.
Auch an dieser Stelle wird man in der Praxis daher genau prüfen müssen, ob eine Erlaubnis für die Erbringung des Kryptoverwahrgeschäfts oder des Depotgeschäfts erforderlich ist.
Die reine Registerführung eines Kryptowertpapierregisters stellt für sich genommen allerdings keine Verwahrung im Sinne des Depotgesetzes (DepotG) dar.
Registereintragungen, Niederlegung und Veröffentlichungspflichten
Vor der Eintragung eines elektronischen Wertpapiers im elektronischen Wertpapierregister hat der Emittent die Emissionsbedingungen bei der registerführenden Stelle in einer beständigen elektronischen Form und mit der Möglichkeit einer beliebig wiederholbaren unmittelbaren Kenntnisnahme jedermann zugänglich zu machen (sog. Niederlegung). Die Eintragung des Wertpapiers selbst muss innerhalb von einem Monat nach der Niederlegung erfolgen, da andernfalls die niedergelegten Emissionsbedingungen von der registerführenden Stelle zu löschen sind.
Etwaige Änderungen der Emissionsbedingungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit ebenfalls der Niederlegung bei der registerführenden Stelle und müssen im Übrigen nachvollziehbar sein.
Daneben ist die Eintragung eines Kryptowertpapiers in einem Kryptowertpapierregister im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung ist gleichzeitig der Aufsichtsbehörde mitzuteilen. Gleiches gilt im Falle von Änderungen der Angaben bzgl.:
- Emittenten
- Kryptowertpapierregister
- Registerführende Stelle
- Wesentliche Inhalt des Rechts einschließlich einer eindeutigen Kennnummer und der Kennzeichnung als Wertpapier
- Datum der Eintragung des Kryptowertpapiers im Kryptowertpapierregister
Die Aufsichtsbehörde führt über die ihr mitgeteilten in einem Kryptowertpapierregister eingetragenen Kryptowertpapiere eine öffentliche Liste im Internet.
Übertragung und Gutglaubensschutz
Kernelement des Referentenentwurfes ist neben der Einführung von elektronischen Wertpapieren auch die Sicherstellung von deren Verkehrsfähigkeit und eines Gutglaubensschutzes.
Vor diesem Hintergrund bedarf jede Verfügung über
- ein elektronisches Wertpapier,
- ein Recht aus einem elektronischen Wertpapier oder über ein Recht an einem solchen Recht oder
- ein Recht an einem elektronischen Wertpapier oder über ein Recht an einem solchen Recht
zu ihrer Wirksamkeit einer Eintragung bzw. Umtragung im elektronischen Wertpapierregister.
Es gilt insoweit der Grundsatz: Das Recht aus dem Wertpapier folgt dem Recht am (elektronischen) Wertpapier. Die Eintragungen im Wertpapierregister begründen damit einen Gutglaubensschutz und zugunsten des (eingetragenen) Inhabers eines elektronischen Wertpapiers zudem eine Eigentumsvermutung.
Sonstige Pflichten der registerführenden Stelle
Der Referentenentwurf enthält daneben eine Reihe von weiteren Pflichten der registerführenden Stelle, auf die hier nicht im Einzelnen eingegangen werden soll. Es zeichnet sich jedoch bereits jetzt ab, dass sich in der Praxis noch einige Herausforderungen ergeben werden, insbesondere im Zusammenhang mit sog. „permissionless bockchains“ sowie im Hinblick auf die Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen. Die nach dem Referentenentwurf vorgesehenen gesetzlichen Pflichten dürften jedenfalls stellenweise mit der Idealvorstellung von Krypto-Enthusiasten nicht bzw. nur bedingt in Einklang zu bringen sein.
Fazit und Ausblick
Mit dem nun vorgelegten Referentenentwurf gehen das BMJV und BMF einen wichtigen Schritt zur Öffnung des deutschen Zivilrechts für Kryptowertpapiere und sonstige elektronische Wertpapiere. Der Referentenentwurf schafft insbesondere die Grundlage und damit Rechtssicherheit für die Emission von tokenisierten Anleihen. Es bleibt aber festzuhalten, dass nicht sämtliche STOs, TGEs oder ITOs erfasst werden; vielmehr kommt es auf die Art und Ausgestaltung des jeweils tokenisierten Finanzinstruments oder Assets an.
Zudem zeigt der Referentenentwurf bereits jetzt, dass es noch einige Herausforderungen für die Praxis geben wird, die einen engen Austausch mit der Finanzaufsicht erfordern werden.
Es bleibt zu hoffen, dass die Umsetzung des Referentenentwurfs zeitnah erfolgt. Die Schaffung von rechtssicheren regulatorischen Rahmenbedingungen dürfte gerade im Hinblick auf blockchain-basierte Wertpapieremissionen für die Position als Finanzmarktplatz im Wettbewerb mit den anderen EU-Mitgliedsstaaten durchaus relevant sein. Insoweit stellt der Referentenentwurf leider nur einen ersten Wurf dar und lässt insbesondere die Möglichkeit zur Tokenisierung von Aktien und/oder Anteilen an Investmentvermögen (z.B. Spezial-AIF) im Sinne des KAGB außen vor. Dies war aufgrund der bisherigen Planungen zwar absehbar, sollte vom Gesetzgeber dennoch zeitnah angegangen werden, um nicht den Anschluss zu verlieren.
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