Will ein Startup nicht nur im eigenen Land erfolgreich sein oder müssen für das eigene Produkt Materialien oder Dienstleistungen aus dem Ausland bezogen werden, kann es auch für erfahrene Gründer schnell unübersichtlich werden, welche Rechtsvorschriften zu beachten sind.
Werden bspw. Platinen aus China eingekauft, die vom Amsterdamer Hafen mit dem LKW nach Köln gebracht werden und für deren technischen Einbau man auf das Knowhow eines in Indien sitzenden IT-Experten angewiesen ist, so stellt sich gleich drei Mal die Frage, ob deutsches, ausländisches oder gar internationales Recht Anwendung findet und in welchem Land gegebenenfalls ein Prozess ausgefochten werden müsste.
Fallstricke vermeiden
Da es für deutsche Gründer selten im Interesse sein dürfte, sich auf das exotische und auch für deutsche Juristen oft schwer zu durchschauende Parkett ausländischer Rechtsordnungen zu begeben oder gar Gefahr zu laufen, in einen jahrelangen Prozess vor teils tausende Kilometer entfernten Gerichten verwickelt zu werden, muss bei der Vertragsgestaltung genau darauf geachtet werden, dass sowohl das auf den Vertrag anzuwendende Recht (Vertragsstatut) als auch der Ort, an dem gegebenenfalls ein Prozess stattfinden würde (Gerichtsstand), so gewählt werden, dass sie den eigenen Bedürfnissen entsprechen. Werden diese Punkte im Vertrag nicht ausdrücklich geklärt, kann es schnell dazu kommen, dass kein deutsches Recht angewendet wird oder der Prozess gar im Ausland ausgetragen werden muss. Neben den horrenden Kosten für ausländische Anwälte, Übersetzungen und Transfers, bedeutet dies für junge Unternehmen in der Regel einen kaum lösbaren zeitlichen und logistischen Aufwand.
Praxistipp
Auch bei Verträgen, die Startups von Vertragspartnern vorgelegt werden, ist auf Regelungen zur Rechtswahl und zum Gerichtsstand zu achten. Solche Regelungen finden sich auch ganz oft am Ende von AGBs. Wenn man hier nicht genau aufpasst, kann es schnell passieren, dass man ausländischem Recht und einem ausländischen Gerichtsstand zustimmt, ohne dies zu wollen.
Eine Vielzahl von Vorschriften
Dabei kann man bei der Vielzahl von sich teilweise widersprechenden nationalen und internationalen Vorschriften und Verträgen zu den unterschiedlichsten Regelungsbereichen schnell den Überblick verlieren. Es ist daher zunächst wichtig, sich zu erkundigen, ob für die Vertragsmaterie bereits internationale Abkommen bestehen, die eigene anzuwendende Regelungen enthalten und die unabhängig vom nationalen Recht der jeweiligen Heimatsstaaten der Vertragspartner anzuwenden sind. Das ist insbesondere im Bereich des internationalen Warenkaufs (CISG) und -transports (z.B. CMR) der Fall. Besteht ein solches internationales Abkommen nicht oder findet es im Einzelfall keine Anwendung auf den Vertrag, dann wird über sog. „Kollisionsregeln“ ermittelt, ob das Recht im Heimatland des einen oder des anderen Vertragspartners oder gar das eines Drittstaats anzuwenden ist und wo im Falle eines Rechtsstreits der Prozess stattfindet.
Internationale Abkommen
Für deutsche Unternehmen stellt das sog. „UN-Kaufrecht“ (CISG) das mit Abstand bedeutendste internationale Abkommen dar, da seine Regeln immer dann automatisch auf den Kauf und Verkauf von Waren aus dem Ausland Anwendung finden, wenn die Heimatländer der Vertragspartner das Abkommen ratifiziert haben.
Zu der stetig ansteigenden Zahl von mittlerweile 91 Mitgliedsländern (Stand: Nov. 2019) gehören neben Deutschland auch seine wichtigsten Handelspartner USA und China sowie die meisten europäischen Staaten mit der Ausnahme von Großbritannien. Dabei formuliert das CISG speziell auf die Besonderheiten des internationalen Warenverkehrs angepasste Vorschriften zum Vertragsschluss, zu den Käufer- und Verkäuferpflichten sowie zum Schadensersatz.
Vor- und Nachteile
Bewusst gesetzte Regelungslücken und die Möglichkeit, von bestimmten Vertragsinhalten abzuweichen, lassen den Vertragspartnern aber gleichzeitig genug Freiraum für eigene Anpassungen. Darüber hinaus bietet das CISG den beteiligten Unternehmen, die sich verständlicherweise im Recht ihres Heimatstaats am wohlsten fühlen, die Möglichkeit, auf einen neutralen, leicht verständlichen und für ihre Anforderungen modifizierbaren Kompromiss auszuweichen.
Trotz seiner unbestreitbaren Vorteile und der großen inhaltlichen Nähe zum deutschen Recht stehen viele Unternehmen in Deutschland der Verwendung des CISG immer noch kritisch gegenüber und machen regelmäßig von der Option Gebrauch, die Anwendung des „UN-Kaufrechts“ ganz auszuschließen. In diesem Fall bestimmt sich die Frage, welches Recht anzuwenden ist auf die Kollisionsregeln des internationalen Vertragsrechts, die ganz oder teilweise das Recht eines bestimmten Staates für anwendbar erklären.
Internationales Vertragsrecht
Besteht für den Inhalt eines Vertrags also kein internationales Abkommen mit besonderen Vorschriften oder konnten die Vertragspartner die Anwendung des Abkommens in ihrem Fall wirksam ausschließen, dann muss ermittelt werden, welches Recht auf eine vertragliche Regelung Anwendung finden soll.
Bis auf wenige Ausnahmefälle haben deutsche Unternehmen dabei stets die Bestimmungen der europäischen Verordnung für das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) zu beachten. Diese bietet den Vorteil, dass sie universell anwendbar ist. Das bedeutet, sie wird auch dann von deutschen Gerichten angewandt, wenn der Sitz des Vertragspartner nicht in einem Staat der europäischen Union liegt.
Nach der Rom I-VO ist es außer in Ausnahmefällen immer möglich, deutsches Recht zu wählen. Das sollte auch das Ziel von in Deutschland ansässigen Startups sein. So sollte bei der Gestaltung des Vertrags stets versucht werden, die Anwendbarkeit deutschen Rechts ausdrücklich zu vereinbaren. Kommt es tatsächlich zum Rechtsstreit unter Anwendung von ausländischem Recht, benötigt man schnell ein teures ausländisches Anwaltteam und entsprechend geschulte Übersetzer. Gerade die Besonderheiten des anglo-amerikanischen Rechts können zudem schnell zu ruinösen Schadensersatzforderungen gegen das Unternehmen führen (sog. Tort Law).
Neben der Frage des anwendbaren Rechts ist es aus praktischer Sicht wichtig, eine Vereinbarung zu treffen, die den Gerichtsstand der Auseinandersetzung festlegt. Auch hier ist es ähnlich wie beim anwendbaren Recht möglich, eine sog. Gerichtsstandsvereinbarung zu treffen. Dies wird durch die Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I-VO) geregelt. Will man mit einem ausländischen Vertragspartner ins Geschäft kommen, ist es sinnvoll, im Vertrag eine ausdrückliche Gerichtsstandvereinbarung zu treffen und am Sitz des eigenen Unternehmens einen exklusiven Gerichtsstand für einen möglichen Prozess bei Streitigkeiten festzulegen.
Aus praktischer Sicht besteht bei Startups oft das Problem, dass der Verhandlungsspielraum gegenüber den Vertragspartnern, z.B. großen Unternehmen, begrenzt ist. Diese werden typischerweise ihr eigenes Recht und einen Gerichtsstand an ihrem eigenen Sitz vereinbaren wollen. Hier sollte trotzdem immer versucht werden, eine für beide Seiten tragbare Regelung zu erreichen. Im Übrigen sollte man als Gründer zumindest wissen, dass die Vereinbarung ausländischen Rechts und eines ausländischen Gerichtsstands im Streitfall deutlich erhöhte Rechtsberatungskosten nach sich ziehen wird. Solche rechtlichen Risiken sollten dann sorgfältig gegenüber den wirtschaftlichen Chancen, die ein Vertrag bietet, abgewogen werden.
Fazit
Die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen ins Ausland bietet viele juristische Fallstricke. Möchte man als Startup Waren aus dem Ausland beziehen, ihren anschließenden Transport organisieren oder auf im Ausland lebende Angestellte zurückgreifen, muss auf die besonderen Vorschriften der einschlägigen internationalen Abkommen geachtet und ihre Anwendbarkeit gegebenenfalls ausdrücklich ausgeschlossen werden.
Wer der gewaltigen finanziellen und logistischen Belastung eines im Ausland geführten Rechtsstreits entgehen möchte, sollte bei der Gestaltung seiner Verträge unbedingt auf die Anwendbarkeit von deutschem Recht und die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts achten. Dies spart Kosten, vermeidet Streitigkeiten und beugt somit bösen Überraschungen vor.
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