15 / 03 / 2017
LegalTech - oder die Digitalisierung der Rechtsberatung
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#Digitalisierung – Was passiert da gerade eigentlich?

Digitalisierung. Weit mehr als nur Buzzword, Hype und Trend. Die Digitalisierung ist Realität, es gibt keinen Bereich des Lebens, der davon nicht beeinflusst wird: Handel und Konsum, Geschäftsmodelle und Märkte, Kommunikation, Journalismus, PR und Medien, das Arbeitsleben, Meinungsbildung etc.

#Digitalisierung: Was passiert da gerade eigentlich? Diese Frage ist so vielfältig sowie umfangreich und tangiert so viele Bereiche, dass die Otto Group mit ihrem Blog „Otto Group unterwegs“ dies im Rahmen einer Blogparade diskutieren möchte.

Rechtsanwältin Bonny Lengersdorf beleuchtet für die Blogparade das Thema Digitalisierung im Hinblick auf Rechtsberatung. Die Digitalisierung stellt die Rechtsberatung teilweise vor große Herausforderungen, die es insbesondere bei der Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle – sog. LegalTechs – zu beachten gilt.

LegalTech – oder die Digitalisierung der Rechtsberatung

Das Bild des Anwalts – vertieft in dicke Gesetzestexte in staubigen Bibliotheken – ist veraltet. Auch wenn der Branche ein konservativer Ruf anhaftet, verändert sich der Anwaltsberuf im Zuge der Digitalisierung laufend. Viele Kanzleien arbeiten mit digitalen Akten und die Kommunikation mit dem Mandanten findet vorwiegend per Smartphone oder Email statt. Der Trend in Sachen LegalTech geht in Richtung der vollständigen Automatisierung der Rechtsberatung.

Von Datenbanken und E-Akten

Der Bereich LegalTech umfasst die verschiedensten Bereiche der Digitalisierung von Rechtsberatung wie bspw.:

  • Digitale juristische Datenbanken, die Urteile, Aufsätze und Vorlagen für Rechtstexte bereithalten
  • Diktierprogramme, die gesprochene Worte automatisiert in Text transkribieren
  • Elektronische Aktenverwaltung in der Cloud
  • Softwarelösungen, die anwaltliche Beratung ergänzen oder gar ersetzen

Doch bereits bei diesen „digitalen Basics“ stoßen Anwälte, insbesondere bei der Nutzung von Saas- und Cloudlösungen, auf rechtliche Hürden. Neben den allgemeinen Regelungen zum Datenschutz gilt für Anwälte auch das deutlich restriktivere Berufsgeheimnis. Eine Übertragung von sensiblen Mandantendaten an ausländische Cloudanbieter ist damit kaum möglich. Mittlerweile bieten einige Cloudanbieter spezielle Lösungen mit Servern in Deutschland für Anwälte und andere Berufsgeheimnisträger an.

Insbesondere durch den Einzug dieser Cloudlösungen verlagerte sich die anwaltliche Tätigkeit weg von der Bibliothek hin zum mittlerweile wichtigsten Arbeitsgerät, dem Laptop.

Quelle: Übersicht über LegalTech in Deutschland von Dominik Tobschall; http://tobschall.de/public/images/posts/2016-06-25/german_legaltech.jpg

Flexibilität durch schnelle, ortsunabhängige Kommunikation

Nicht nur der Ablauf der Arbeit sondern auch die Kommunikation mit dem Mandanten hat sich verändert. Wo früher eher der Anwalt „vor Ort“ erster Ansprechpartner war suchen Mandanten mittlerweile im Internet gezielt nach Anwälten. Der Standort der Kanzlei spielt eine untergeordnete Rolle. Das persönliche Erstgespräch wird abgelöst durch die digitale Kommunikation. Diese findet häufig ausschließlich per Videochat, Email und Smartphone statt. Dadurch haben Mandanten Zugang zu spezialisierten Anwälten unabhängig von deren Standort. Durch den Wegfall der örtlichen Beschränkung ist die Rechtberatung nicht nur schneller, sondern auch deutlich flexibler geworden.

LegalTech – Disruption des Anwaltsberufs?

LegalTech-Startups wollen darüber hinaus die Rechtsberatung vollständig digitalisieren. So nutzen Anbieter wie frag-einen-anwalt.de oder anwalt24.de die neue Flexibilität der Anwälte, um diese schnell und unkompliziert mit Mandanten zusammenzubringen. Mandanten können ihre Rechtsfragen auf die Plattformen der Anbieter einstellen. Interessierte Anwälte melden sich mit individuellen Angeboten. Häufig werden bei diesem Verfahren nur einfache rechtliche Fragen beantwortet. Komplexere Sachverhalte bedürfen i.d.R einer ausführlicheren Beratung.

Automatisierte Rechtsberatung im Fluggastrecht

Einen Schritt weiter gehen Anbieter wie myRight, Flightright oder zug-erstattung.de. Diese Startups wollen mittels Softwareanwendungen rechtliche Standardfälle ohne Hinzuziehung eines Anwalts komplett automatisiert erledigen.

Bekannte Beispiele sind Startups, die sich mit Forderungen aus Flugverspätungen befassen. In Sekundenschnelle berechnet ein Algorithmus die Erfolgschancen des Mandanten auf Schadensersatz wegen eines verspäteten Flugs und unterbreitet dem Mandanten zum Teil sofort ein Angebot zum Ankauf der Forderung. Die Mandanten sparen sich langwierige Rechtsstreite, die Startups verdienen an der eingetriebenen Forderung. Noch bearbeitet in letzter Instanz ein Rechtsanwalt die Fälle und erstreitet die Forderungen falls notwendig vor Gericht.

Standardisierte Rechtsdienstleistungen ohne Anwalt – Beispiele

Ganz ohne anwaltliche Hilfe kommen LegalTechs wie LEVERTON aus. Mittels künstlicher Intelligenz und Texterkennung werden mehrseitige Immobilienverträge in kürzester Zeit gescannt und analysiert. Dem Mandanten werden im Anschluss die wichtigsten Informationen wie Kaufpreis und Objektgröße herausgefiltert.

Noch breiter aufgestellt ist der Anbieter smartlaw. Dort gibt es Musterverträge für eine Vielzahl von Lebensbereichen, die durch die Beantwortung von Fragen personalisiert werden. Die Musterverträge werden nach eigenen Angaben in Zusammenarbeit mit Juristen erstellt. An der Personalisierung der Verträge ist jedoch kein Anwalt mehr beteiligt.

Ganz ohne Anwalt geht es nicht

Dennoch wird der Beruf des Anwalts so schnell nicht ersetzt werden. Nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz darf eine rechtliche Prüfung im Einzelfall i.d.R. nur von einem Rechtsanwalt vorgenommen werden. LegalTech kann daher bisher nur standardisierte Fälle ohne Einzelfallprüfung abdecken.

Fazit – Digitalisierung verändert die Rechtsberatung, ersetzt aber nicht den Anwalt

Durch die Etablierung und Verbesserung von KI (Künstlicher Intelligenz) und Chatbots (Software-Systemen, die algorithmusbasiert auf menschliche Text-Anfragen reagieren) können in Zukunft nicht nur Standardfälle schneller und kosteneffizienter bearbeitet werden. Auch die Problemlösung in komplexeren Fällen wird zunehmend in Betracht kommen. Dadurch wird sich der Anwaltsberuf weiter verändern. Anwälte werden KI einsetzen können, um umfangreiche Vertragsdokumente schneller zu analysieren oder Schreiben aus Mustervorlagen erstellen zu lassen. Dadurch werden sie mehr Zeit für komplexere Fälle und Konstellationen haben, die durch digitale Helfer (bislang) nicht abgebildet werden können.

Die Digitalisierung der Rechtsberatung bringt nicht nur dem Mandanten eine schnellere und kosteneffiziente Rechtsberatung sondern auch dem Anwalt mehr Flexibilität und Freiheit in Bezug auf Zeit, Ort und Art der Tätigkeit. Auch unter ökonomischen Aspekten eröffnet LegalTech den Anwälten die Möglichkeit zu Kostenreduktion und teilweise auch zur Skalierbarkeit der eigenen Tätigkeit.

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