26 / 04 / 2016
Crowdinvesting – Teil XVII: Welche rechtlichen Risiken können sich aus einer Crowdinvesting-Finanzierung ergeben? – Teil 1

Im Rahmen einer Crowdinvesting-Finanzierung begründet das kapitalsuchende Unternehmen vielfache rechtliche Beziehungen, insbesondere in Form von Verträgen mit der Crowdinvesting-Plattform sowie mit den kapitalgebenden Anlegern. Überall dort, wo Unternehmen vertragliche Beziehungen eingehen, bestehen sowohl ausdrückliche als auch ungeschriebene Pflichten, die es einzuhalten gilt. Aus der Verletzung dieser Pflichten können sich Schadensersatzansprüche des jeweiligen Vertragspartners ergeben. Aber auch einzelne den Anlegern gewährte Rechte können Risiken für das finanzsuchende Unternehmen begründen. Daneben ist beim Crowdinvesting stets zu beachten, dass es sich hierbei um eine Finanzierung über den Kapitalmarkt handelt. Gerade aus der Verletzung kapitalmarktrechtlicher Informationspflichten – wie ausführlich in den vorstehenden Teilen X bis XVI beschrieben – können sich für das Unternehmen finanzielle Risiken ergeben.

Risiken im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Erlaubnispflichten

Im Regelfall benötigt ein Unternehmen, welches für den eigenen Geschäftsbetrieb Kapital einwirbt, für die Durchführung einer Crowdinvesting-Finanzierung keine behördliche Erlaubnis.

Ausnahmen von dieser Regel sind jedoch denkbar und hängen primär von der jeweiligen Ausgestaltung des Crowdinvesting-Modells ab. Vorsicht ist geboten bei Beteiligungsmodellen ohne Verlustteilnahme oder ohne (qualifiziertem) Nachrang der Ansprüche von Anlegern. Bei solchen Modellen kann die Grenze zu einem erlaubnispflichtigen Einlagengeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 des Kreditwesengesetzes überschritten werden. In diesem Fall wäre eine schriftliche Erlaubnis der BaFin erforderlich. Da eine solche Erlaubnis für Unternehmen außerhalb des Finanzsektors vor dem Hintergrund der gesetzlichen Anforderungen und des damit einhergehenden finanziellen, administrativen und organisatorischen Aufwands faktisch nicht eingeholt werden kann, empfiehlt es sich, die von den Crowdinvesting-Plattformen regelmäßig zur Verfügung gestellten Beteiligungsverträge auf ihre aufsichtsrechtliche Einordnung zu untersuchen, insbesondere die Rechtswirksamkeit eines hierin enthaltenen (qualifizierten) Rangrücktritts der Anleger zu überprüfen. Dass es sich hierbei nicht nur um ein theoretisches Problem handelt, zeigen die zahlreichen Veröffentlichungen der BaFin über die Untersagung unerlaubter Einlagengeschäfte sowie die aktuellere Rechtsprechung. So sind selbst Winzergenossenschaften wegen unerlaubter Einlagengeschäfte in den Fokus der BaFin gelangt. Für die Geschäftsführungsorgane kann ein Verstoß gegen Erlaubnispflichten durch das Betreiben unerlaubter Bankgeschäfte zudem zivil- und strafrechtliche Konsequenzen haben, wie aktuelle Urteile zeigen. Insbesondere sind Haftungsansprüche gegen die handelnden Geschäftsführungsorgane denkbar.

In Abhängigkeit von der gewählten Beteiligungsstruktur, der Geschäftstätigkeit des kapitalsuchenden Unternehmens sowie den Vertragsbedingungen der Vermögensanlage, kann auch eine Erlaubnispflicht nach dem Kapitalanlagengesetzbuch bestehen. Diese liegt vor, wenn der Emittent der Vermögensanlage rechtlich als ein sogenanntes Investmentvermögen eingeordnet wird. Dies kann dann der Fall sein, wenn die Vermögensanlage nicht durch das kapitalsuchende Unternehmen selbst, sondern durch eine Zweckgesellschaft ausgegeben werden soll oder in sonstiger Weise ein Pooling stattfindet. Ferner ist Vorsicht geboten bei Unternehmen, die lediglich vermögensverwaltend tätig sind (z.B. Holding-Gesellschaften, Immobiliengesellschaften). Operativ tätige Unternehmen der Realwirtschaft sind hingegen vom Anwendungsbereich des Kapitalanlagengesetzbuches ausgenommen. Es ist jedoch zu beachten, dass im Einzelfall aufgrund von gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen oder Änderungen in den Vertragsbedingungen einer Vermögensanlage eine Erlaubnispflicht nach dem Kapitalanlagengesetzbuch nachträglich entstehen kann. Hierüber sollten Anleger in den Risikohinweisen auch ausdrücklich belehrt werden.

Risiken aus den Beteiligungsverträgen

Für das Unternehmen können sich Risiken primär aus dem jeweils gewählten Beteiligungsmodell und dem diesem Modell zu Grunde liegenden Beteiligungsvertrag ergeben. Da der Beteiligungsvertrag das Rechtsverhältnis zwischen dem Unternehmen und den Anlegern regelt, trägt das Unternehmen zunächst das Risiko der rechtssicheren Ausgestaltung des Beteiligungsvertrages. Ganz allgemein können unklare, unwirksame oder undurchführbare Klauseln zu Streitigkeiten zwischen dem Unternehmen und den Anlegern führen. Hierbei sind insbesondere Vorgaben des AGB-Rechts zu beachten. Unabhängig von der Frage, ob Anleger im Recht oder im Unrecht sind, lenken solche Streitigkeiten von dem operativen Geschäft des Unternehmens ab, binden personelle Ressourcen (z.B. von Führungspersonen) und können im Einzelfall auch hohe Kosten für eine entsprechende rechtliche Beratung oder gerichtliche Auseinandersetzung verursachen. Streitigkeiten mit Anlegern und unklare Regelungen von Rechten und Pflichten bereiten ferner Probleme, wenn sich das Unternehmen in der Folge durch institutionelle Investoren wie z.B. Venture Capital Gesellschaften finanzieren lassen möchte. Spätestens im Rahmen der üblichen Due Diligence Prüfungen kommen solche Streitigkeiten oder vertragliche Unklarheiten zu Tage und können Folgefinanzierungen gefährden. Wenn man Crowdinvesting im Rahmen einer Seed Finanzierung in Anspruch nehmen möchte muss man darauf achten, dass diese Wahl nicht zu einem sogenannten „Deal Breaker“ für die Folgefinanzierung mit Venture Capital Gesellschaften wird.

In Abhängigkeit von der Ausgestaltung der Rechte der Anleger und Pflichten des Unternehmens durch den Beteiligungsvertrag können sich zudem Risiken in Bezug auf die operative Geschäftstätigkeit des Unternehmens ergeben. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf etwaige Mitsprache- und Informationsrechte der Anleger. So kann z.B. nicht ausgeschlossen werden, dass vom Unternehmen zwingend bereitzustellende Informationen von Anlegern oder Wettbewerbern missbräuchlich verwendet werden. Speziell eine gegenüber den Anlegern offenzulegende geplante Mittelverwendung kann Wettbewerbern einen Aufschluss über die strategische Ausrichtung oder Investitionspolitik des Unternehmens verschaffen.

Weiterhin ist es denkbar, dass Beteiligungsverträge bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen des Unternehmens von einer vorherigen Information oder Anhörung der Anleger abhängig machen. Bestimmte Maßnahmen im Unternehmen können je nach Beteiligungsmodell und vertraglicher Ausgestaltung zudem zu Kündigungsrechten und ggfs. auch Schadensersatzansprüchen der Anleger führen. Bei den seltener anzutreffenden Eigenkapitalbeteiligungen haben die Anleger darüber hinaus ein Mitspracherecht dergestalt, dass sie in Haupt- oder Gesellschafterversammlungen ihr Stimmrecht und damit einhergehend Einfluss auf das Unternehmen ausüben können.

Vor diesem Hintergrund können zukünftige Kapitalgeber (z.B. Venture Capital – Gesellschaften) im Rahmen von weiteren Finanzierungsrunden oftmals ein berechtigtes Interesse daran haben, dass sämtliche Rechtsbeziehungen zwischen dem Unternehmen und den Anlegern vor einer Folgefinanzierung beendet werden. In vielen Fällen wird dies kaum oder nur unter enormem zeitlichen bzw. finanziellen Aufwand möglich sein. Etwas anderes gilt allenfalls in Pooling-Strukturen, die für diesen Fall entsprechende Ablöse- oder Beendigungsgestaltungen vorsehen.

Schließlich kann auch die Beendigung der Beteiligung von Anlegern zu Risiken auf Seiten des Unternehmens führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Beteiligungsvertrag die Vertragsbeendigung und deren wirtschaftliche Folgen nicht eindeutig oder umfassend regelt. Risiken können sich in diesem Fall insbesondere dann ergeben, wenn der Anleger bei Vertragsbeendigung einen Anspruch auf Rückzahlung des als Einlage oder Darlehen geleisteten Betrages zzgl. etwaiger Vergütungskomponenten oder zwingend zu gewährender Kompensationen (insb. sog. Auseinandersetzungs- oder Abfindungsguthaben) hat. Soweit hierfür keine vertraglichen Regelungen getroffen worden sind, welche die Interessen beider Parteien angemessen berücksichtigen, können derartige Zahlungsansprüche nachteilige Auswirkungen auf die finanzielle Lage, insbesondere die Liquidität des Unternehmens, haben. Dies gilt auch für den Fall, dass ein etwaig vereinbarter qualifizierter Rangrücktritt der Anleger aus AGB-rechtlichen Gesichtspunkten nicht wirksam ist oder in sonstiger Weise nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt. Im Falle seiner Unwirksamkeit könnte dies erhebliche Risiken für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten bergen und sogar zu einer Insolvenz führen.

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