Soweit eine Prospektpflicht nach dem Vermögensanlagengesetz besteht oder die Crowdinvesting-Privilegierung in Anspruch genommen wird, muss ein Vermögensanlagen-Informationsblatt (kurz: VIB) vor Beginn des Angebots erstellt und veröffentlicht werden. Das VIB ist der BaFin zur Hinterlegung zu übermitteln. Zudem muss eine aktualisierte Fassung des VIB für die Dauer des Angebots, mithin also während der Crowdinvesting-Kampagne stets auf der Internetseite des Anbieters zugänglich sein. Nach der derzeitigen Verwaltungspraxis der BaFin ist als Internetseite des Anbieters nicht nur die eigene Website, sondern auch die jeweilige Projektseite auf der Plattform anzusehen. Liegen der BaFin Anhaltspunkte dafür vor, dass der Anbieter kein Vermögensanlagen-Informationsblatt hinterlegt hat, untersagt die BaFin das öffentliche Angebot. Zudem stellt es eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit dar, wenn ein VIB pflichtwidrig nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstellt worden ist. Gleiches gilt, wenn eine gemäß dem Vermögensanlagengesetz in das VIB aufzunehmende Angabe dort nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig aktualisiert oder das Datum einer erfolgten Aktualisierung im VIB nicht genannt wird. Derartige Pflichtverstöße können mit einer Geldbuße bis zu EUR 500.000 geahndet werden. Ferner können dem Anbieter Verwaltungsgebühren in Rechnung gestellt werden.
Das VIB darf nicht mehr als drei DIN-A4-Seiten umfassen und muss die wesentlichen Informationen über die Vermögensanlage in übersichtlicher und leicht verständlicher Weise enthalten. Es muss so abgefasst sein, dass Anlegern ein bestmöglicher Vergleich mit den Merkmalen anderer Finanzinstrumente möglich ist. Insbesondere sieht das Vermögensanlagengesetz einen Katalog an zwingend in das VIB aufzunehmenden Angaben vor. Hierzu zählen vor allem Angaben zu den mit der Vermögensanlage verbundenen Risiken, Kosten und Provisionen, zum Verschuldungsgrad des Emittenten, zum Anlageobjekt, zur Anlagestrategie und zur Anlagepolitik sowie zu den Aussichten für die Kapitalrückzahlung und Erträge unter verschiedenen Marktbedingungen. Daneben sieht das Gesetz eine Reihe zwingend in das VIB aufzunehmender Hinweise vor. So ist unter anderem in allen VIBs ein obligatorischer „Warnhinweis“ aufzunehmen, der auf das für Anleger bestehende Totalausfallrisiko hinweist. Bei prospektpflichtigen Angeboten ist zudem auf den gebilligten Prospekt hinzuweisen und darauf, wo dieser erhältlich ist. Demgegenüber ist bei prospektfreien Angeboten auf Basis der Crowdinvesting-Privilegierung darauf hinzuweisen, dass gerade kein Prospekt erstellt und von der BaFin gebilligt worden ist. Zu den sonstigen Pflichthinweisen zählt u.a. der Hinweis auf den Umstand, dass keine inhaltliche Prüfung des VIB durch die BaFin stattfindet. Ungeachtet dessen überprüft die BaFin das VIB nach formalen Kriterien, z.B. auf die Einhaltung der Seitenbegrenzung sowie dem Vorhandensein der Angaben zur Identität des Anbieters und des Warnhinweises.
Die Kenntnisnahme des Warnhinweises ist von jedem Anleger vor Vertragsschluss zu bestätigen. Soweit – wie im Falle des Crowdinvestings üblich – der Vertragsschluss unter Verwendung von Fernkommunikationsmittel (hier: Internet) erfolgt, hat der Anleger die Kenntnisnahme des Warnhinweises in einer der Unterschriftsleistung gleichwertigen Art und Weise zu bestätigen. Üblicherweise geschieht dies durch Texteingabe persönlicher Angaben, welche die Identität des Anlegers zweifelsfrei erkennen lassen. Die einzugebenden Angaben richten sich nach der Vermögensanlagen-Informationsblatt-Bestätigungsverordnung und werden üblicherweise über Online-Formulare im Rahmen des Investitionsprozesses auf der Plattform erhoben.
Auch wenn die Plattformen den kapitalsuchenden Unternehmen in der Regel Muster für das VIB bereitstellen und dessen Hinterlegung, Veröffentlichung und Bestätigung veranlassen, sollten die kapitalsuchenden Unternehmen beachten, dass sie als Anbieter für die Einhaltung der Pflichten nach dem Vermögensanlagengesetz verantwortlich bleiben. Insoweit können sich die Unternehmen gegenüber der BaFin nicht mit Erfolg auf etwaige Versäumnisse der Crowdinvesting-Plattform berufen. Es empfiehlt sich daher, das von der jeweiligen Crowdinvesting-Plattform bereitgestellte VIB sowie die ordnungsgemäße Erfüllung der Pflichten nach dem Vermögensanlagengesetz zu überprüfen.
Crowdinvesting-Tipp: Vermögensanlangen-Informationsblatt (VIB)
Aus haftungsrechtlichen Gesichtspunkten ist darauf zu achten, dass alle gesetzlich geforderten Mindestangaben im VIB enthalten sind und mit einem etwaig veröffentlichten Prospekt übereinstimmen. Für jede Vermögensanlage ist ein separates VIB zu veröffentlichen – dies gilt im Falle von (partiarischen) Nachrangdarlehen und Genussrechten z.B. auch dann, wenn es verschiedene Zinssätze gibt (z.B. in Abhängigkeit vom jeweils gewährten Darlehensbetrag bzw. der investierten Zeichnungssumme). Im Falle von Änderungen während des öffentlichen Angebots ist das VIB zu aktualisieren und die aktualisierte Fassung zu veröffentlichen.
Sonstige Anlegerinformationen im Sinne des Vermögensanlagengesetzes
Anlegern ist während der Dauer des öffentlichen Angebots ein etwaiger Prospekt sowie eine aktuelle Fassung des VIBs in Textform (z.B. per E-Mail oder als PDF-Dokument auf der Crowdinvesting-Plattform) sowie auf Verlangen auch in Papierform zu übermitteln. Gleiches gilt für den letzten veröffentlichten Jahresabschluss des Emittenten. Dies gilt natürlich nur für solche Angebote, die unter die Prospektpflicht oder die Crowdinvesting-Privilegierung des Vermögensanlagegesetzes fallen.
Exkurs: Werbung für Vermögensanlagen
Soweit das kapitalsuchende Unternehmen das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen bewerben will, sind die für die Werbung geltenden Schranken des Vermögensanlagengesetzes zu beachten. In der Werbung, in der auf die wesentlichen Merkmale der Vermögensanlage hingewiesen wird, ist ein Hinweis auf den Verkaufsprospekt und dessen Veröffentlichung aufzunehmen. Dies gilt selbstverständlich nicht für prospektfreie Angebote, z.B. im Rahmen der Crowdinvesting-Privilegierung. Zudem hat jede Werbung folgenden deutlich hervorgehobenen Warnhinweis zu enthalten: „Der Erwerb dieser Vermögensanlage ist mit erheblichen Risiken verbunden und kann zum vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens führen.“ Dies soll Anlegern nach dem Prinzip der Warnhinweise auf Zigarettenschachteln das Risiko bewusst vor Augen führen. Die Hervorhebung kann beispielsweise durch Fettdruck, Einrahmung oder farbliche Kennzeichnung erfolgen. Bei einer Werbung in elektronischen Medien kann der Warnhinweis auch in einem separaten Dokument erfolgen, wenn die Werbung weniger als 210 Schriftzeichen umfasst und einen deutlich hervorgehobenen Link auf dieses Dokument enthält. Der Link ist dabei mit „Warnhinweis“ zu kennzeichnen. Soweit die Werbung Angaben zur Rendite der Vermögensanlage enthält, die nicht lediglich eine vertragliche feste Verzinsung wiedergibt, ist zudem folgender Hinweis deutlich hervorgehoben aufzunehmen: „Der in Aussicht gestellte Ertrag ist nicht gewährleistet und kann auch niedriger ausfallen.“ Dies ist insbesondere bei Vermögensanlagen mit partiarischem Charakter sowie erfolgsorientierten Vergütungen zu beachten.
Die Werbung darf keinen Hinweis auf die Befugnisse der BaFin enthalten. Hierdurch soll vermieden werden, dass der Eindruck eines „Prüfsiegels“ und einer Sicherheit der Vermögensanlage suggeriert wird. Zudem darf der Begriff „Fonds“ (als Bezeichnung des Emittenten oder der Vermögensanlage) nicht verwendet werden, da (geschlossene) Fonds nunmehr der Regulierung durch das Kapitalanlagengesetzbuch unterliegen.
Im Falle von Missständen kann die BaFin die betreffende Werbung für die öffentlich angebotenen Vermögensanlagen untersagen.
Keine Informationspflichten bei prospektfreien Angeboten?
Auch wenn ein Verkaufs- oder Wertpapierprospekt nicht zu erstellen ist, bedeutet dies nicht, dass vom kapitalsuchenden Unternehmen keinerlei Informationspflichten zu erfüllen sind. Dies gilt auch bei Inanspruchnahme der Crowdinvesting-Privilegierung des Vermögensanlagengesetzes. Vielmehr sind vom Unternehmen und den Gründern bzw. Gesellschaftern im Rahmen eines Crowdinvestings unabhängig von einer etwaigen gesetzlichen Prospektpflicht einige Informationspflichten zu beachten. Solche Informationspflichten können sich zum einen aus dem Gesetz oder den jeweiligen Vertragsbedingungen einer Vermögensanlage, zum anderen aus den Vorgaben der jeweiligen Crowdinvesting-Plattform ergeben. Zum Teil hat die Rechtsprechung auch besondere Anforderungen an die Erfüllung von Informationspflichten definiert, die bei der Gestaltung von Informationsdokumenten zu beachten sind. Einzelheiten werden im nächsten Teil der Artikelreihe dargestellt.
Artikelreihe ‘Crowdinvesting’:
- Teil I: Was ist Crowdinvesting und kommt es als Finanzierungsform für mein Unternehmen in Betracht?
- Teil II: Welche Vorteile und Nachteile hat Crowdinvesting
- Teil III: Welche Beteiligungsformen gibt es und worin liegen die Unterschiede – Eine Einführung
- Teil IV: Eigenkapitalbeteiligungen
- Teil V: (Atypisch) Stille Beteiligungen
- Teil VI: Genussrechte
- Teil VII: Partiarische (Nachrang-) Darlehen
- Teil VIII: Pooling-Modelle
- Teil IX: Die Qual der Wahl: welche Plattform und welches Crowdinvesting-Modell passen zu meinem Unternehmen?
- Teil X: Welche Pflichten sind mit einer Crowdinvesting-Finanzierung verbunden – Ein Überblick
- Teil XI: Informationspflichten im Vorfeld – Teil 1: Prospektpflicht nach dem Vermögensanlagengesetz
- Teil XII: Informationspflichten im Vorfeld – Teil 2: Prospektpflicht nach dem Wertpapierprospektgesetz
- Teil XIII: Informationspflichten im Vorfeld – Teil 3: Ausnahmen von der Prospektpflicht und Widerrufsrecht
- Teil XIV: Informationspflichten im Vorfeld – Teil 4: Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB)
- Teil XV: Informationspflichten im Vorfeld – Teil 5: Vertragliche Informationspflichten
- Teil XVI: Nachgelagerte Informationspflichten
- Teil XVII: Welche rechtlichen Risiken können sich aus einer Crowdinvesting-Finanzierung ergeben? – Teil 1
- Teil XVIII: Welche rechtlichen Risiken können sich aus einer Crowdinvesting-Finanzierung ergeben? – Teil 2
- Teil XIX: Fazit und Ausblick