Eine größtmögliche Flexibilität bei der Ausgestaltung der Konditionen einer Beteiligung (insbesondere der Vergütung) bieten Genussrechte. Genussrechte können auf Grund der Flexibilität in der Vergütungsform sogar als Instrument der Kundenbindung genutzt werden.
Während Aktien (umfangreich) und stille Beteiligungen (kursorisch) gesetzlich geregelt sind, kommen Genussrechte nicht über eine gesetzliche Erwähnung hinaus. Juristen kategorisieren sie als schuldrechtlich eingeräumte Vermögensrechte und ordnen sie den Mezzaninen Finanzierungsinstrumenten zu.
Die Flexibilität von Genussrechten beginnt damit, dass sie unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens (z.B. AG, GmbH, OHG, KG) ausgegeben werden können. Inhaltlich können sie fremdkapitalähnlich oder wie wirtschaftliches Eigenkapital ausgestaltet werden.
Aktuell sind Genussrechte in verbriefter Form (sogenannte Genussscheine) vor allem beim Immobilien-Crowdinvesting anzutreffen. Bei Genussscheinen handelt es sich im Gegensatz zu unverbrieften Genussrechten allerdings um Wertpapiere, so dass sich Unterschiede in dem anzuwendenden Prospektrecht ergeben. Aus regulatorischen Gründen werden Genussscheine nur von wenigen Plattformen angeboten.
Auf einen Blick |
Genussrechte |
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Rechtliche Vorgaben |
Häufig verwendete Konditionen |
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Rechtsstellung des Anlegers |
(schuldrechtlicher) Gläubiger |
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Rechtsform des Unternehmens | Grds. keine bestimmte Rechtsform erforderlich | Juristische Person |
Maßgebliche Regelungen | Keine; weitestgehend Vertragsfreiheit; flexible vertragliche Ausgestaltung möglich |
/ |
Pooling |
/ |
I.d.R. kein Pooling |
Zinsen / Erlöspartizipation | / | Bei eigenkapitalähnlichen Genussrechten i.d.R. Teilnahme am ausschüttungsfähigen Gewinn, Liquidationserlös und Veräußerungsgewinnen; bei fremdkapitalähnlichen Genussrechten häufig feste und/oder variable Verzinsung (z.T. gewinnunabhängige Grundverzinsung und darüber hinaus eine gewinnabhängige Zusatzverzinsung) |
Verlustteilnahme | / | Verlustbeteiligung in Höhe der Einlage |
Nachschusspflicht / Haftung der Anleger | / | Keine Nachschusspflicht |
Fremd- oder Eigenkapital | / | Eigenkapitalähnlich |
Bilanzierung | / | Wirtschaftliches Eigenkapital |
Dauer; (Mindestvertrags-) Laufzeit; Kündigung | / | I.d.R. feste Laufzeit oder Mindestvertragslaufzeit von 5 Jahren |
Mitwirkungs-, Weisungs- oder Stimmrechte |
Keine Mitwirkungs-, Weisungs- oder Stimmrechte |
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Informations- und Kontrollrechte | / |
Grds. nur Anspruch auf Rechnungslegung und Informations-/ Kontrollrecht bzgl. Vermögensrechten; zum Teil weitergehende Informations-/ Kontrollrechte vereinbart |
Bezugsrecht bei Kapitalerhöhungen | Im Grds. kein Bezugsrecht | Kein Bezugsrecht |
Verwässerung | Mittelbar eingeschränkter Verwässerungsschutz auch ohne vertragliche Regelung (Vertragsanpassung bzw. Ausgleich) |
/ |
Nachrang | / | Nachrang durch qualifizierten Rangrücktritt |
Übertragbarkeit | / | Verfügungsbeschränkung (Übertragung erfordert Zustimmung) |
Folgen der Vertragsbeendigung | / | Rückzahlung der Einlage und ausstehender Gewinnansprüche; z.T. Beteiligung am Unternehmenswert durch Ansatz von sog. Multiples |
Prospektpflicht | Bei öffentlichen Angeboten: Ja (§ 6 VermAnlG im Falle unverbriefter Genussrechte; § 3 WpPG im Falle verbriefter Genussscheine); Aber: Ausnahmen (z.B. max. € 100.000 p.a.) |
I.d.R. prospektfreie Angebote mit Maximalbetrag von € 100.000 |
Quelle: eigene Darstellung; Stand November 2015
In Abgrenzung zu stillen Beteiligungen liegt bei Genussrechten kein Gesellschaftsverhältnis zwischen dem Unternehmen und den Anlegern vor. Anleger haben somit weder ein Recht auf Teilnahme an Gesellschafterversammlungen, noch sonstige mitgliedschaftliche Rechte (insb. Stimm- und Bezugsrechte, Informations-, Mitwirkungs- und Kontrollrechte). Vertraglich können allerdings bestimmte Informations- und Kontrollrechte (z.B. zur Übermittlung des Jahresabschlusses oder sonstiger Finanzberichte des Unternehmens) vereinbart werden.
Als Gegenleistung für die Kapitalüberlassung durch den Anleger wird bei Genussrechten in der Regel eine Gewinnbeteiligung vereinbart, die sich an einzelnen Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung orientiert. Daneben gibt es Genussrechte, die (auch) eine Partizipation an den Erlösen bei der Veräußerung und Liquidation des Unternehmens vorsehen. Insbesondere bei den zuletzt genannten Gestaltungsvarianten werden häufig ein qualifizierter Nachrang der Zahlungsansprüche der Anleger gegenüber anderen Gläubigern des Unternehmens in der Insolvenz sowie eine (auf die Einlage begrenzte) Verlustteilnahme vereinbart.
Crowdinvesting-Tipp: Genussrechte
Als flexibles Finanzierungsinstrument eignet sich das Genussrecht sehr gut für die Unternehmensfinanzierung und das Crowdinvesting. Wie bei stillen Gesellschaften führt jedoch die weitgehende Gestaltungsfreiheit dazu, dass die Inhalte von Genussrechten sehr unterschiedlich sein können und die vertragliche Ausgestaltung immer einer Einzelfallprüfung bedarf. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die durch sie eingeräumten Informationsrechte der Anleger. Daher ist für den konkreten Inhalt der Genussrechte die jeweilige Vertragsdokumentation maßgeblich. Wie im Falle von stillen Beteiligungen eignen sich Genussrechte vorrangig für Finanzierungen mit einem Volumen von bis zu EUR 100.000 sowie für Private Placements, da für öffentliche Angebote mit einem höheren Volumen ein gebilligter Vermögensanlagenprospekt zu veröffentlichen ist. Letzteres dürfte sich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten in der Regel erst bei deutlich höheren Emissionsvolumina und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände im Einzelfall lohnen.
Artikelreihe ‘Crowdinvesting’:
- Teil I: Was ist Crowdinvesting und kommt es als Finanzierungsform für mein Unternehmen in Betracht?
- Teil II: Welche Vorteile und Nachteile hat Crowdinvesting
- Teil III: Welche Beteiligungsformen gibt es und worin liegen die Unterschiede – Eine Einführung
- Teil IV: Eigenkapitalbeteiligungen
- Teil V: (Atypisch) Stille Beteiligungen
- Teil VI: Genussrechte
- Teil VII: Partiarische Nachrangdarlehen
- Teil VIII: Pooling-Modelle
- Teil IX: Die Qual der Wahl: welche Plattform und welches Crowdinvesting-Modell passen zu meinem Unternehmen?
- Teil X: Welche Pflichten sind mit einer Crowdinvesting-Finanzierung verbunden – Ein Überblick
- Teil XI: Informationspflichten im Vorfeld – Teil 1: Prospektpflicht nach dem Vermögensanlagengesetz
- Teil XII: Informationspflichten im Vorfeld – Teil 2: Prospektpflicht nach dem Wertpapierprospektgesetz
- Teil XIII: Informationspflichten im Vorfeld – Teil 3: Ausnahmen von der Prospektpflicht und Widerrufsrecht
- Teil XIV: Informationspflichten im Vorfeld – Teil 4: Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB)
- Teil XV: Informationspflichten im Vorfeld – Teil 5: Vertragliche Informationspflichten
- Teil XVI: Nachgelagerte Informationspflichten
- Teil XVII: Welche rechtlichen Risiken können sich aus einer Crowdinvesting-Finanzierung ergeben? – Teil 1
- Teil XVIII: Welche rechtlichen Risiken können sich aus einer Crowdinvesting-Finanzierung ergeben? – Teil 2
- Teil XIX: Fazit und Ausblick