Wenn die Entscheidung auf eine Unternehmensfinanzierung über Crowdinvesting gefallen ist, heißt es, sich für eine der zahlreichen Crowdinvesting-Plattformen zu entscheiden. Aufgrund der Vielzahl der Plattformen und der darauf angebotenen Finanzierungsmodelle kann sich diese Entscheidung mitunter recht schwierig gestalten. Im ersten Schritt kann ein entsprechender Branchenfokus der Crowdinvesting-Plattform für eine Vorauswahl als Entscheidungskriterium herangezogen werden. Der Fokus bzw. die Spezialisierung einer Crowdinvesting-Plattform auf bestimmte Branchen ist zunehmend zu einem wesentlichen Abgrenzungsmerkmal der Crowdinvesting-Plattformen geworden, seit eine Differenzierung nach der jeweils eingesetzten Beteiligungsform wegen der überwiegenden Verwendung von (partiarischen) Nachrangdarlehen in den Hintergrund gerückt ist. Insoweit versuchen die Crowdinvesting-Plattformen zunehmend durch einen Branchenfokus bzw. eine Spezialisierung Nischen zu besetzen und sich im Markt zu etablieren. Welche Plattform oder welches Modell generell zum Unternehmen passt, lässt sich unterdessen nicht pauschal beantworten. Vielmehr sollten die derzeitigen und zukünftigen finanziellen und wirtschaftlichen Belange des Unternehmens sowie die mit dem jeweiligen Crowdinvesting-Modell zusammenhängenden Vor- und Nachteile vor einem Gespräch mit der jeweiligen Plattform ermittelt und gewichtet werden.
Entscheidungskriterien
Im Einzelfall können bei der Auswahl der Crowdinvesting-Plattform und des Beteiligungsmodells insbesondere folgende Kriterien zu berücksichtigen sein:
- Höhe und Dringlichkeit des Kapitalbedarfs
- “Track Record” der Crowdinvesting-Plattform
- Ausgestaltung der Vergütung der Anleger und deren Auszahlungsmodalitäten
- Kosten im Zusammenhang mit dem Crowdinvesting-Modell (z.B. für gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen, für die Erstellung und Billigung eines Prospekts)
- Kosten und Gebühren der Crowdinvesting-Plattform (insb. auch Kosten für obligatorische Nebenleistungen)
- Methode der Unternehmensbewertung für die Kampagne sowie in Exit-Fällen
- Eignung des Beteilligungsmodells für eine Anschlussfinanzierung
- Bilanzielle / steuerliche Behandlung des jeweiligen Finanzierungsinstruments
- Laufzeit der Kapitalbereitstellung durch die Anleger
- Ausgestaltung der Rechte und Pflichten (insb. Mitsprache-, Informations-, Kontrollrechte der Anleger)
Diese Liste ist keinesfalls abschließend. Vielmehr sind immer die besonderen Umstände des Einzelfalls bei der Entscheidung zu berücksichtigen.
Hierauf sollten Unternehmen auf jeden Fall achten
Im Mittelpunkt einer Crowdinvesting-Finanzierung steht das Verhältnis zwischen dem Unternehmen und den Anlegern. Dieses Verhältnis wird im Wesentlichen durch den zwischen dem Unternehmen und dem Anleger über die Crowdinvesting-Plattform geschlossenen Beteiligungsvertrag geregelt. Da bei Crowdinvesting-Finanzierungen überwiegend Musterverträge von den Crowdinvesting-Plattformen verbindlich vorgegeben werden, können in diesen Fällen weder Anpassungen an die individuellen Bedürfnisse des Unternehmens, noch an die der Anleger vorgenommen werden. Umso wichtiger ist es, dass der Beteiligungsvertrag die Rechte (insb. Gewinnbeteiligung sowie Mitsprache-, Informations- und Kontrollrechte der Anleger) und Pflichten (z.B. Informationspflichten des Unternehmens) der Parteien klar und verständlich regelt. Der Beteiligungsvertrag sollte möglichst wenig Konfliktpotential enthalten, um das Risiko einer – gerichtlichen – Auseinandersetzung und den Beratungsbedarf während der Vertragslaufzeit zu minimieren.
Daneben sollte bei der Auswahl der passenden Crowdinvesting-Plattform das Augenmerk auf die Nutzungsbedingungen bzw. allgemeinen Geschäftsbedingungen der Plattform gelegt werden. In diesen sind zum Teil weitere Pflichten geregelt, die das Unternehmen im Verhältnis zu den Anlegern und der Crowdinvesting-Plattform einhalten muss. Von entscheidender Bedeutung ist daneben auch die Leistungsbeschreibung der Crowdinvesting-Plattform, da sich der Leistungsumfang bei den verschiedenen Crowdinvesting-Plattformen zum Teil recht stark unterscheidet. Um Unklarheiten oder gar Streitigkeiten zwischen dem Unternehmen und der Plattform über die gegenseitigen Pflichten sowie den Leistungsumfang im Verlauf einer Kampagne zu vermeiden, empfiehlt es sich, die vertraglichen Regelungen genau zu prüfen.
Artikelreihe ‘Crowdinvesting’:
- Teil I: Was ist Crowdinvesting und kommt es als Finanzierungsform für mein Unternehmen in Betracht?
- Teil II: Welche Vorteile und Nachteile hat Crowdinvesting
- Teil III: Welche Beteiligungsformen gibt es und worin liegen die Unterschiede – Eine Einführung
- Teil IV: Eigenkapitalbeteiligungen
- Teil V: (Atypisch) Stille Beteiligungen
- Teil VI: Genussrechte
- Teil VII: Partiarische (Nachrang-) Darlehen
- Teil VIII: Pooling-Modelle
- Teil IX: Die Qual der Wahl: welche Plattform und welches Crowdinvesting-Modell passen zu meinem Unternehmen?
- Teil X: Welche Pflichten sind mit einer Crowdinvesting-Finanzierung verbunden – Ein Überblick
- Teil XI: Informationspflichten im Vorfeld – Teil 1: Prospektpflicht nach dem Vermögensanlagengesetz
- Teil XII: Informationspflichten im Vorfeld – Teil 2: Prospektpflicht nach dem Wertpapierprospektgesetz
- Teil XIII: Informationspflichten im Vorfeld – Teil 3: Ausnahmen von der Prospektpflicht und Widerrufsrecht
- Teil XIV: Informationspflichten im Vorfeld – Teil 4: Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB)
- Teil XV: Informationspflichten im Vorfeld – Teil 5: Vertragliche Informationspflichten
- Teil XVI: Nachgelagerte Informationspflichten
- Teil XVII: Welche rechtlichen Risiken können sich aus einer Crowdinvesting-Finanzierung ergeben? – Teil 1
- Teil XVIII: Welche rechtlichen Risiken können sich aus einer Crowdinvesting-Finanzierung ergeben? – Teil 2
- Teil XIX: Fazit und Ausblick